Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)
Autoren: Monica McInerney
Vom Netzwerk:
sie eingezogen wurde, und hielt den Atem an. Ich schickte den Brief ein zweites Mal ab, nur zur Sicherheit. Und ein drittes Mal. Fünf Minuten später, ich saß auf Walters Bürostuhl, kaute auf meinem Pferdeschwanz herum und ließ die Beine baumeln, gab das Faxgerät ein Geräusch von sich. Mit riesigen Augen sah ich zu, als sich wie von Geisterhand ein Blatt bewegte, durch den Einzug wanderte und im Papierfach landete. Ich rannte hin.
    Liebe Ella,
    sie ist ein Baby. Babys weinen. Das ist ihre Bestimmung. Am besten wartest Du, bis sie größer und interessanter wird, und entscheidest dann, ob Du sie magst. Aber ich bin sicher, Deine Mutter liebt Euch beide. Denn das ist ihre Bestimmung.
    Er hatte das Fax nicht unterschrieben, sondern einen kleinen Fuchs gezeichnet. Einen listigen Fuchs, mit einem funkelnden Auge.
    Ich nahm mir ein neues Blatt Papier aus Walters Schublade.
    Danke. Dann warte ich.
    Auch ich unterschrieb mit einer kleinen Zeichnung, nur dass mein Fuchs eher wie ein Stinktier aussah. Ich führte das Blatt in das Gerät ein und drückte erneut und mit Eifer die Zahlen. Los ging es. Wenige Minuten später abermals ein Surren, und ein neues Blatt erschien.
    Sehr gern. Darunter wieder ein Fuchs. Er zwinkerte mir zu.
    Ich nahm die Faxe mit in mein Zimmer und las sie vor dem Schlafengehen noch einmal. Es ging mir schon viel besser. Am nächsten Morgen legte ich sie in mein Schatzkästchen.
    Nach der Schule rief mich Mum zu sich in die Küche. »Du solltest Walters Faxgerät nicht benutzen, ohne ihn vorher zu fragen, Ella.« Bevor ich etwas sagen konnte, fuhr sie fort. »Du brauchst gar nicht so beleidigt zu gucken. Lucas hat nicht gepetzt. Er hat nur angerufen und gefragt, ob er dir gelegentlich faxen dürfe. Ich habe mit Walter darüber gesprochen, und, wie Walter richtig sagt, Lucas ist dein Onkel. Also, solange du es nicht übertreibst, kannst du ihm hin und wieder faxen. Angeblich antwortet er dir, wenn er Zeit hat. Aber geh ihm nicht auf die Nerven, hörst du? Er hat viel zu tun.«
    Das verblüffte mich. »Ehrlich? Was tut er denn?« Ich konnte mir nur vorstellen, dass Lucas in seinem großen Haus noch mehr Unordnung verbreitete.
    »Ich weiß es nicht genau, Ella. Professorenkram.«
    »Aber was ist das?«
    Mum machte eine Geste, die wohl heißen sollte: Wo soll ich da bloß anfangen. »Frag ihn doch selbst in deinem nächsten Fax.«
    Und das tat ich. Lucas schrieb am Tag darauf zurück.
    Liebe Ella,
    diese Woche beschäftige ich mich mit folgenden Themen:
    die politischen Allianzen im England der Nachkriegszeit,
    liberale versus konservative Bildungspolitik,
    das Phänomen der wachsenden Unterstützung für die Monarchie in der Zeit zwischen den Weltkriegen,
    und ich muss die Leitungen im unteren Badezimmer reparieren lassen.
    Ich schrieb zurück: Danke, Lucas. Du hast wirklich viel zu tun.
    Emsig wie die Ameise , erwiderte er. Oder vielmehr, wie der Fuchs. Er unterschrieb erneut mit seinem zwinkernden Fuchs.
    Es war wie ein heißer Draht in den Himmel. Ich schickte Lucas mindestens zwei Faxe in der Woche, und er schrieb stets zurück. Nur nannten wir es nicht faxen, sondern fuxen. Es waren keine langen Briefe. Von mir kamen meist Fragen oder Klagen. Von ihm rasche Antworten, Informationsschnipsel oder Einzeiler, die er »Verblüffende Fakten aus dem Reich der Füchse« nannte. Wusstest Du, dass Babyfüchse Jungfüchse oder Welpen heißen? Und die Füchsin Fähe heißt? Wusstest Du, dass der Fuchsschwanz ein Drittel der gesamten Körperlänge ausmacht?
    Manchmal kam auch ein Geschenk per Post. Nicht zu meinem Geburtstag oder Weihnachten, einfach so, aus heiterem Himmel. Es hatte natürlich immer etwas mit Füchsen zu tun. Ein T-Shirt mit einem Fuchs darauf. Fuchs-Notizpapier. Sogar eine Fuchs-Brosche. Leider habe ich, was mir nicht zu klein wurde, verloren oder verbraucht, bis auf den Schlüsselring.
    Er schickte mir auch Bücher. Ich bin Krimi-Fan , stand in einem Brief, und da Du mir wie eine neugierige junge Frau erscheinst, hoffe ich, dass auch Du Dich für dieses Genre begeistern wirst. Und dem war so. Ich las alles, was er schickte – von Enid Blytons Die Schwarze Sieben , Fünf Freunde und ihre Serie Geheimnis um … über Nancy Drew und Die Hardy Boys bis hin zu Agatha Christie. Als ich älter wurde, schickte Lucas mir Raymond Chandler, Dashiell Hammett und Arthur Conan Doyle. Jedes Buch wurde von Verblüffenden Fakten begleitet: Wusstest Du, dass Enid Blyton in nur vierzig Jahren achthundert
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher