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Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Titel: Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels
Autoren: Donald Ray Pollock
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Ellen Thomas auf dem Totenbrett darum bat, ihr die Packung zu holen, nicht den Arzt.
    Willard sah, wie seine Mutter sich mit einer dürren Frau unterhielt, deren Drahtgestellbrille schief in ihrem langen, schlanken Gesicht saß; dazu trug sie eine blassblaue Haube, die sie unter dem spitzen Kinn verknotet hatte. Nach ein paar Minuten nahm Emma die Frau bei der Hand und führte sie zu der Stelle, wo Willard saß. »Ich habe Helen gebeten, sich zu uns zu setzen«, sagte Emma zu ihrem Sohn. Er stand auf und ließ sie Platz nehmen, und als die Frau sich setzte, bekam er von dem Geruch alten Schweißes ganz feuchte Augen. Sie trug eine abgegriffene, in Leder gebundene Bibel bei sich und hielt den Kopf gesenkt, als Emma sie ihm vorstellte. Jetzt begriff Willard, warum sich seine Mutter die letzten paar Tage darüber ausgelassen hatte, dass Äußerlichkeiten gar nicht so wichtig seien. Willard pflichtete ihr durchaus bei, dass dies in den meisten Fällen wohl so sei, doch Himmel, selbst sein Onkel Earskell wusch sich ab und zu mal unter den Armen.
    Da die Kirche keine Glocke hatte, trat Reverend Sykes an die offene Kirchentür, wenn der Gottesdienst beginnen sollte, und rief all die herein, die noch draußen mit ihren Zigaretten, ihren Zweifeln und neuesten Gerüchten herumlungerten. Ein kleiner Chor aus zwei Männern und drei Frauen stand auf und sang: »Sinner, You’d Better Get Ready.« Dann trat Sykes an die Kanzel. Er besah sich die Gemeinde, wischte sich mit einem weißen Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Achtundfünfzig Personen saßen auf den Bänken. Er hatte zwei Mal gezählt. Der Reverend war kein gieriger Mensch, aber er hoffte darauf, dass die Kollekte heute Abend drei oder vier Dollar einbrachte. Die ganze letzte Woche hatten seine Frau und er nichts weiter als Zwieback und gammliges Eichhörnchenfleisch gegessen. »Mensch, ist das heiß«, sagte er grinsend. »Aber es wird noch heißer werden, richtig? Vor allem für jene, die nicht mit dem Herrn sind.«
    »Amen«, sagte jemand.
    »So ist es«, sagte ein anderer.
    »Nun«, fuhr Sykes fort, »darum werden wir uns gleich kümmern. Zwei Jungs aus Topperville werden heute den Gottesdienst leiten, und wie mir alle bestätigen, haben sie eine frohe Botschaft zu überbringen.« Sykes sah hinüber zu den beiden Fremden, die im Schatten neben dem Altar saßen und durch einen zerschlissenen schwarzen Vorhang vor der Gemeinde verborgen waren. »Bruder Roy und Bruder Theodore, kommt her und helft uns, ein paar verlorene Seelen zu retten«, sagte er und winkte sie zu sich.
    Ein großer Dürrer erhob sich und schob den anderen, einen fetten Kerl in einem quietschenden Rollstuhl, hinter dem Vorhang hervor zur Altarmitte. Der mit den gesunden Beinen trug einen ausgebeulten schwarzen Anzug und ein paar schwere, ausgetretene Schuhe. Seine braunen Haare waren mit Haaröl nach hinten geklebt, seine eingefallenen Wangen von der Akne löchrig und rotnarbig. »Ich heiße Roy Laferty«, sagte er mit leiser Stimme, »und das hier ist mein Cousin Theodore Daniels.« Der Krüppel nickte und lächelte die Kirchenbesucher an. Er hielt eine zerschundene Gitarre auf dem Schoß und trug einen Suppentopfhaarschnitt. Sein Overall war mit Flicken aus einem Futtersack ausgebessert worden, und seine dürren Beine unter ihm standen im spitzen Winkel ab. Er trug ein schmutziges weißes Hemd und einen bunt geblümten Schlips. Später sagte Willard, der eine habe ausgesehen wie der Fürst der Finsternis und der andere wie ein vom Glück verlassener Clown.
    Schweigend stimmte Bruder Theodore eine Saite auf seiner Gitarre. Ein paar Besucher gähnten, andere flüsterten bereits miteinander und wirkten zu Beginn dieses bestimmt langweilig werdenden Gottesdienstes, der von zwei schüchternen und heruntergekommenen Frischlingen abgehalten wurde, recht nervös. Willard wünschte sich, er wäre auf den Parkplatz entwischt und hätte dort jemanden mit einer Flasche Schnaps getroffen, bevor der Gottesdienst anfing. Es war ihm noch nie wohl dabei gewesen, Gott in Gegenwart von Fremden anzubeten, eingezwängt in einen Raum. »Heute Abend werden wir keine Kollekte einsammeln, Leute«, erklärte Bruder Roy schließlich, nachdem ihm der Krüppel zugenickt hatte. »Wir brauchen kein Geld, um Gottes Werk zu tun. Theodore und ich leben auch von der süßen Luft, wenn nötig, und glauben Sie mir, das haben wir schon häufig getan. Seelen retten hat nichts mit schmutzigem Geld zu tun.« Roy sah zu dem alten
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