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Das grobmaschige Netz - Roman

Das grobmaschige Netz - Roman

Titel: Das grobmaschige Netz - Roman
Autoren: H kan Nesser
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vierzehn ... ihr liegt auf dem Bett, und sie tröstet dich. Du schmiegst dich an sie, und sie beschützt dich. Sie legt ihre heilenden Hände auf deinen Körper ... ihr seid vierzehn ... ihr liegt beieinander, seid beieinander geborgen, ihr hört ihn im Haus herumwüten, hört, wie er sich jetzt an der Mutter vergreift, sein Recht fordert ... o verdammt, Münster.«
    Münster hustete vorsichtig.
    »Dann kommt die Nacht, und ihr seid nackt ... ihr seid vierzehn, und ihr seid Bruder und Schwester. Im Grunde ist niemand daran schuld, Münster, an dem, was passiert... wer könnte sie anklagen? Wer außer den Göttern hätte wohl das Recht, diesen beiden Kindern Vorwürfe zu machen, weil es so kommt, wie es kommen muss? Dass sie zum Liebespaar werden? Wer, Münster, wer?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Münster.

    »Begreifst du, was sie ihm gegeben hat?«, fragte Van Veeteren und holte tief Luft. »Zu einer Frau kommen zu dürfen, wenn man geschlagen und erniedrigt und wertlos ist ... zu einer Frau, die die Geliebte ist... und Mutter und Schwester. Alles auf einmal. Welche Liebe könnte denn stärker sein, Münster? Stell dir vor, du liebst zum ersten Mal, und alles ist von Anfang an vollkommen ... Liebe und Bindung sind so stark, dass sie haltbarer werden als alles, was du später je erlebst. . . o verdammt, Münster, hatte er denn überhaupt eine Chance?«
    »Wie lange ist das so gegangen?«, fragte Münster.
    »Zwei, drei Jahre, nehme ich an. Er sagt ja nicht klar, wann es genau angefangen hat. Vermutlich war es von beiden Seiten für ziemlich lange Zeit gleich stark. Ich glaube, Eva konnte ausbrechen, nicht, weil sie es eigentlich wollte, sondern, weil sie wusste, dass es falsch war ... verboten ... dass es so nicht weitergehen konnte.«
    »Während es für ihn einfach unmöglich war«, sagte Münster.
    Van Veeteren steckte sich eine Zigarette an.
    »Ja, aber sie hat ihn verstoßen. Das, was sich bei dieser Familie abgespielt hat ... als der Vater noch lebte und auch später ... ja, das will ich mir nicht einmal vorstellen, Münster.«
    »Und dann war da noch Paul Beisen.«
    »Ja, vielleicht war das nur ein Ausbruchsversuch von Eva, ich glaube nicht, dass sie wirklich in ihn verliebt war. Sie hat es wohl nur gemacht, um klar und deutlich zu betonen, dass das andere vorbei war ... und Rolf ... ja, Rolf, der ...«
    »Wartete ab«, sagte Münster.
    »Kann man so sagen, ja«, sagte Van Veeteren. »Er hat auf die passende Gelegenheit gewartet, und auf diesem Fest hat sie sich dann geboten.«
    »Er hat draußen auf der Heide gewartet«, sagte Münster.
    »Genau. Ist dort draußen in der Dunkelheit herumgestrichen
und hat auf seine Chance gewartet ... fast wie ein Werwolf. . .«
    »Hat er das auch erzählt?«
    Van Veeteren nickte.
    »Wenn auch nur bruchstückhaft ... es ist doch zwanzig Jahre her. Die Verjährungsfrist beträgt einundzwanzig... auch für diesen Mord können wir ihn also noch zur Verantwortung ziehen, falls das irgendeinen Sinn hat.«
    »Und Eva hat ihn dann zum Auswandern gezwungen?«
    »Ja. Sie hat ihm ein Ultimatum gestellt. Entweder du verschwindest, oder ich sage alles der Polizei ... versetz dich doch mal in seine Lage, Münster. Er hat einen Mord begangen, nicht nur aus Eifersucht, sondern auch, um seine Liebe unter Beweis zu stellen... und sie weist ihn ab. Ich glaube, er stand während dieser Monate kurz vor dem Selbstmord, das hat er angedeutet ... und auch während der ersten Zeit im Exil. Vielleicht ...«
    ». . . wäre es die beste Lösung gewesen«, ergänzte Münster.
    »Haben wir das Recht, so zu denken?«, fragte Van Veeteren. »Haben wir das?«
    Münster gab keine Antwort. Schaute auf die Uhr. Viertel vor sechs.
    »Wann geht deine Maschine? Um halb acht?«
    Van Veeteren nickte.
    »Ich muss eine Stunde vorher einchecken.«
    »Wir sind in zwanzig Minuten da.«
    Sie schwiegen einige Sekunden, Münster spürte aber, dass sie alles noch einmal durchsprechen mussten.
    »Und diese Ellen Caine?«, fragte er.
    »Ja«, sagte Van Veeteren. »Acht Jahre hat er dann durchhalten können ... das ist schon seltsam, aber er hat es geschafft, hat sich in Toronto niedergelassen, hat zwar immer wieder seinen Job gewechselt, aber er hat sich über Wasser gehalten. . . bis er eine Frau kennen lernt. Er behauptet, dass sie sich
an ihn herangemacht hat, nicht umgekehrt, und das ist sicher richtig... auf jeden Fall kann sie ihm nicht einen Bruchteil dessen geben, was er von Eva bekommen hat ...
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