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Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan

Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan
Autoren: Kathy Reichs
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Pirouetten um das Brustbein herum.
    »Das ist das Sternum«, sagte ich. »Das weiß ich durchaus.«
    Mein Magen entspannte sich wieder. Wollte Schechter darauf hinaus? Falls ja, dann war er ein noch größerer Trottel, als ich dachte. Offensichtlich hatte er keinen Osteologen konsultiert.
    Ich schloss die Datei mit den Fundortfotos und öffnete eine andere mit Fotos, die im LSJML aufgenommen worden waren. Die ersten zwei zeigten einen Leichensack, zuerst geschlossen, dann geöffnet, wobei beim zweiten die durcheinander geworfenen Knochen im Inneren des Sacks zu sehen waren.
    Die nächste Serie zeigte einen Autopsietisch, ein schmutzverkrustetes Skelett lag auf dem Edelstahl. Einige Knochen waren noch mit vertrocknetem Muskelgewebe oder Bändern verbunden. Die meisten lagen lose da, in etwa so angeordnet, wie sie im noch intakten Körper gewesen waren.
    »Hier sehen Sie die Überreste, wie sie in der Leichenhalle ankamen, vor jeder Manipulation. Soll ich die einzelnen Elemente identifizieren?«
    Schechter machte noch eine hochnäsige Geste. Der alte Knacker hatte ein ziemlich großes Repertoire. »Soll ich den Reinigungsprozess erläutern?«
    »Nicht sachdienlich.«
    »Prima. Dann kommen wir jetzt zur Identifikation.«
    »Mein Mandant stellt nicht infrage, dass die Überreste die seiner Tochter sind.«
    »Bestens. Dann wollen wir jetzt über Verletzungen sprechen.
    Soll ich die Begriffe antemortal, perimortal und postmortal erklären?«
    »Kurz und bündig.«
    »Bei skelettalen Überresten bezieht sich antemortal auf Verletzungen, die vor dem Tod auftraten, Verletzungen also, die das Opfer früher im Leben erlitten hatte und die Hinweise auf Heilungsprozesse zeigen. Perimortal bezieht sich auf Verletzungen, die zum Todeszeitpunkt oder in dessen nahem Umkreis zugefügt wurden. Postmortal bezieht sich auf Verletzungen, die nach dem Tod zugefügt wurden, Schäden also, die mit Verwesung, Missbrauch der Leiche, Tierfraß und so weiter zu tun haben.«
    »Inwiefern ist dies sachdienlich?« Offensichtlich mochte Schechter dieses Wort.
    »Es ist sachdienlich für das Verständnis Ihres Mandanten, was mit seiner Tochter passiert ist. Und, vielleicht noch wichtiger, was nicht mit ihr passiert ist.«
    Wieder so eine Geste.
    »Ich will mich nicht lange mit der Bedeutung der Unterscheidung zwischen perimortalen und postmortalen Verletzungen aufhalten. Ich möchte jedoch klarstellen, dass für einen Anthropologen diese Unterscheidung mehr mit Knochenqualität als mit dem Todeszeitpunkt zu tun hat. Das ist ein sehr komplexes Thema, verzeihen Sie mir deshalb, falls ich zu sehr vereinfache.
    In frischen oder lebenden Knochen ist der Flüssigkeitsgehalt relativ hoch, und das Kollagen, die Komponente, die dem Knochen seine Elastizität gibt, zeigt eine gewisse Flexibilität. Dies erlaubt einen gewissen Grad an Biegung unter Druckbelastung. Bei der Verwesung geht die Feuchtigkeit verloren und das Kollagen zersetzt sich, die Biegequalität geht deshalb verloren. Mit anderen Worten, trockener Knochen reagiert auf Druck eher wie anorganisches denn wie organisches Material. Es versagt, oder bricht bereits unter Einwirkung geringerer Kräfte. Denken Sie an einen grünen Stecken im Vergleich zu einem trockenen Stecken. Ersterer gibt unter Druck nach, Letzterer bricht.«
    Schechter machte sich Notizen, unterbrach mich aber nicht. »Praktisch bedeutet das, dass Brüche in trockenen Knochen weniger sauber sind und ausgezacktere Kanten haben. Fragmente sind eher kleiner. Von der Bruchstelle abstrahlende Längsrisse, die bei frischen Knochen relativ häufig sind, kommen selten vor. Konzentrische kreisförmige und abstrahlende Brüche, Muster also, die bei der Weiterleitung von Energie durch den Knochen entstehen, sind ungewöhnlich.«
    »Sehr beeindruckend. Jetzt sind wir alle Experten.«
    Da ich Schechters Taktik inzwischen kannte, ignorierte ich seine Unhöflichkeit.
    »Die Unterscheidung und Klassifizierung antemortaler Verletzungen ist ebenso wichtig für die präzise Bestimmung der Todesart. Da die ersten Anzeichen einer Heilung oft schwer zu entdecken sind, werden skelettale Überreste auf drei Ebenen untersucht, der makroskopischen, der radiografischen und der histologischen Ebene.«
    »Lassen wir doch das Fachchinesisch weg.« Schechter. »Makroskopisch heißt mit dem bloßen Auge. Der erste Hinweis auf eine antemortale Heilung ist ein schmaler Streifen von Oberflächenresorption direkt neben der Bruchstelle. Dies deutet auf eine
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