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Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan

Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan
Autoren: Kathy Reichs
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Röntgenaufnahme zu sehen.
    Schechter schnappte sich den Pointer und ließ den roten Punkt über einen kleinen, runden Defekt zwei Zentimeter über dem unteren Knochenrand tanzen. Dann schoss der Punkt zu der Röntgenaufnahme, wo der Defekt als runder Kreis im Grau-Weißen des schwammigen Knocheninneren zu sehen war.
    »Wollen Sie mir jetzt sagen, dass Bären das gemacht haben?«
    »Nein. Das will ich nicht.«
    »Wie erklären Sie es dann?«, fragte Schechter barsch.
    »Wie erklären Sie es denn?«, fragte ich beinahe lieblich zurück.
    »Das ist offensichtlich eine Schusswunde.«
    »Ich sehe keinen Hinweis darauf.«
    »Soll heißen?«
    »Keine Projektilfragmente oder metallischen Spuren auf dem Röntgenbild. Keine schartigen Kanten. Keine Knochenabsplitterungen. Keine abstrahlenden Brüche, keine abgesprengten Fragmente.«
    »Wollen Sie damit sagen, das Loch ist eine antemortale Verletzung?«
    »Nein. Das will ich nicht.« Ich wusste, es war kindisch, Schechter so zu quälen, aber ich konnte nicht anders. Der Kerl war so unangenehm, dass ich mich darauf freute, ihn unter meinem Absatz zu zerquetschen.
    »Erklären Sie das.«
    »Das Loch ist nicht die Folge irgendeiner Verletzung.«
    »Keine Verletzung.« Zum ersten Mal schwang nun eine gewisse Unsicherheit in Schechters Stimme mit.
    »Nein.«
    »Erläutern Sie.«
    »Meine Erklärung erfordert ein Verständnis der sternalen Entwicklung.«
    Schechter machte wieder eine seiner Gesten. Diesmal mit etwas weniger Flair.
    Ich sammelte mich kurz und begann dann.
    »Das Sternum beginnt sein Leben als zwei vertikale, nebeneinanderliegende Knorpelstränge. Nach einer Weile verschmelzen die Stränge entlang der Mittellinie. Das jetzt noch aus Knorpeln bestehende Sternum ossifiziert nun, das heißt, es wird zu Knochen. Diese Verknöcherung geht von sechs Zentren aus, von denen vier den Körper des Sternums, den langen, dünnen Teil also, bilden. Wenn es keine Einwände gibt, beschränke ich meine Erläuterungen auf den sternalen Körper, da sich dort das Loch befindet.«
    »Bitte.« Es war das erste Mal an diesem Morgen, dass Schechter dieses Wort benutzte.
    Ich bewegte den Laser seitlich über Roses Brustbein. »Beachten Sie die quer verlaufenden Grate. Jeder markiert die Stelle einer Verschmelzung bis dahin getrennter juveniler Elemente, die man Sternebrae nennt. Die Verknöcherung beginnt im ersten Sternebrum während des fünften bis sechsten Fötalmonats, im zweiten und dritten während des sechsten bis achten Fötalmonats und im vierten während des ersten Jahres nach der Geburt.
    Dies allerdings nur, wenn alles normal verläuft. Manchmal läuft es aber anders. Gelegentlich verknöchert ein Sternebrum von mehr als einem Ausgangspunkt aus. Im unteren Sternebrum betrifft diese Variation für gewöhnlich zwei nebeneinanderliegende Zentren.«
    Ich hielt inne. Um ihn zu ärgern? Vielleicht.
    »Verschmelzen diese beiden nebeneinanderliegenden Zentren nicht, resultiert daraus eine Anomalie, die man sternales Foramen, also ein Loch im Brustbein nennt.« Ich sprach langsam, wie ein Lehrer, der einem dummen Schüler etwas erklärt. »Eine Variation infolge einer unvollständigen Verschmelzung eines unteren Sternalsegments, das von zwei getrennten, linken und rechten Zentren ausgehend verknöchert.«
    Schechter schrieb, unterstrich und redete dann wieder. »Sie sagen also, dass Rose eins dieser Dinger hatte.«
    »Ja. Es wird erwähnt auf Seite drei meines Berichts, in dem Abschnitt mit der Überschrift – unverkennbare Merkmale.« Während Schechter in meinem Bericht blätterte, warf ich ein neu es Bild auf die Leinwand. Anhand einer Großaufnahme von Roses Brustbeinloch erläuterte ich die Charakteristika.
    »Einzelner, kreisrunder Defekt mit einem Durchmesser von vierzehn Millimetern. Glatter, gerundeter Rand, wie das Loch in einem Donut. Lage an der Mittellinie, im unteren Drittel des sternalen Körpers. Das ist wie aus dem Lehrbuch.«
    »Konnte Rose mit so etwas überhaupt normal leben?« Schechters Wangen waren rotfleckig geworden.
    »Leute tun das die ganze Zeit.«
    »Hätte sie denn keine Symptome gezeigt?«
    »Nein.«
    »Wie häufig ist dieser Zustand?«
    »Sternale Foramina treten bei etwa sieben bis zehn Prozent der Bevölkerung auf.«
    Lange Zeit, so kam es mir zumindest vor, sagte keiner etwas. Tick. Tick. Tick. Tick. Tick.
    »Sie haben also keinen Hinweis darauf gefunden, dass Rose erschossen wurde?«
    »Absolut keinen.«
    »Kein Hinweis auf einen Mord?«
    Ich
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