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Das Gottschalk-Komplott

Das Gottschalk-Komplott

Titel: Das Gottschalk-Komplott
Autoren: John Brunner
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sich gegenwärtig im neunten Stockwerk in Trakt vier befindet und Störverbot der Stufe zwo erlassen hat. Bitte erläutern Sie den Dringlichkeitscharakter Ihrer Nachfrage.“
    Freudlos lachte Reedeth auf. „Es kann nicht ermittelt werden“, ergänzte der Pultomat, als nach etwa einer halben Minute unverändert jede weitere Stellungnahme ausblieb, mit einem glaubwürdigen Anflug von artifiziellem Zweifel in der Stimme, „ob sie ein Stück Garn in Form eines Knäuels oder irgendeiner anderen Form besitzt. Darf ich diesen Sachverhalt in meine sie betreffende Datensammlung aufnehmen?“
    „Von mir aus“, versicherte Reedeth großherzig. „Außerdem darfst du speichern, daß sie allein den Weg aus dem Irrgarten kennt. Ferner kannst du die Tatsache vermerken, daß sie Haut hat, die sanfter ist als SynthoSeide, außergewöhnlich schöne Brüste, den sinnlichsten Mund, mit dem je eine Sterbliche gesegnet worden ist, und Schenkel, die wahrscheinlich mit einer Gleichung korrespondieren, die deine sämtlichen Schaltkreise versauen dürfte, und …“
    Er hatte hinzuzufügen beabsichtigt, sie besäße überdies ein Herz aus V-förmigem Eis, aber in diesem Moment drang aus dem Innenleben des Pultomaten ein mißliches Knirschgeräusch, und ein Rotlicht blinkte auf, das seine zeitweilige Desaktivierung anzeigte. Erbittert fuhr Reedeth hoch. Was sollte, um alles in der Welt, bloß noch werden, wenn man den Vertrag für das Computersystem der Ginsberg-Klinik einer Firma überließ, die zur Zeit so viele Neopuritaner beschäftigte wie IBM? Da mindestens achtzig Prozent der Patienten, mit denen er zu arbeiten versuchte, unter sexuellen Problemen litt, war es eine Quelle ständiger Behinderung, daß diese Zensurschaltungen fortwährend mechanische Mrs.-Grundy-Respektabilität an den Tag legten. {5}
    Und doch empfand er es als Erleichterung, der Gesellschaft des Pultomaten enthoben worden zu sein. Das Netzwerk von Informationskanälen, die seinen Arbeitsbereich durchzogen, mit den Prinzipien, zu denen er Lippenbekenntnis abzulegen pflegte, versöhnen zu sollen, das war ein Paradoxon, das er nie richtig gelöst hatte.
    Er schlenderte zur Fensterwand seines Büros und blickte über den klotzigen Bau der Staatlichen Psychiatrischen Ginsberg-Gedächtnisklinik hin. Die Anstalt glich mit ihren hohen Maxekuritäts-Türmen rings um ihr Gelände, miteinander verbunden durch Zwischenmauern, einer Festung, als habe man ein Märchenschloß aus einem Kinderbuch gefühllos in einem modernen Betonbauwerk nachempfinden wollen, und in dieser ihrer Art war sie der architektonische Inbegriff jener ‚Chance des Zurückziehens und Umdenkens’, die Mogshack uneingeschränkt als Allheilmittel gegen so gut wie jedes Problem der Notwendigkeit zur persönlichen Anpassung pries. Nur die niedrigen Trakte der Klinikverwaltung besaßen Fenster; die Hochbauten waren absolut kahl. Ihr Anblick – so lautete das Argument zur Begründung – solle dem furchtsamen Patienten schon bei der Ankunft zur Einlieferung das Versprechen vollkommenen Schutzes gegen die unerträglichen Anforderungen der Umwelt geben.
    Aber ihr Anblick von der Fensterwand seines Büros aus erinnerte Reedeth jedesmal an die mittelalterlichen Burgen, die in ihrer Bedeutung zurückgedrängt worden waren durch das Aufkommendes Schießpulvers. Und heute, im Zeitalter der Taschenatomwaffen …?
    Er seufzte, besann sich auf die in gütlichem Tonfall gestellte Frage Xavier Conroys, unter dessen Leitung er sich zur Vorbereitung seiner Doktorarbeit betätigt hatte. Damals waren die Pläne für die Ginsberg-Klinik – zugleich mit einer verführerischen Zusammenfassung der Prinzipien, auf denen sie fußte, durch Mogshack – gerade veröffentlicht worden.
    „Und welche Vorsorge hat Dr. Mogshack für die Patienten getroffen, deren Gesundung durch ihr Unvermögen gefährdet ist, die Möglichkeit abzusehen, daß sie jemals wieder entlassen werden?“
    Er hatte zwei Jahre der Arbeit gebraucht, um die ganze Gewichtigkeit dieser Kritik einzusehen, und erst seine unerwartete Erkenntnis von Harry Madisons Schicksal hatte ihm ihre Begründetheit vollauf verdeutlicht. Zu jenem Zeitpunkt jedoch hatte er bloß, genau wie jeder andere, ein unterdrücktes, beifälliges Lachen über Mogshacks kurze, pointierte Entgegnung ausgestoßen.
    „Ich bin Dr. Conroy für diese erneute Demonstration seiner Begabung dankbar, sich mit Problemen zu befassen, lange bevor sie akut werden. Vielleicht wird er uns in der
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