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Das Gold von Caxamalca

Titel: Das Gold von Caxamalca
Autoren: Jakob Wassermann
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23
    Es war eine Stunde vor Mitternacht, als der Ritter Garcia de Jerez in mein Zimmer trat und mir die Meldung machte, in der großen Halle bereite sich etwas Ungewöhnliches vor, und man müsse auf der Hut sein. Er wußte nicht recht, weshalb er mich warnen zu sollen glaubte; es war nur allgemeine Furcht oder Befangenheit, denn als ich ihn ausforschte, konnte er mir bloß sagen, der Inka sitze ganz allein an einer langen Tafel, an welcher vierundzwanzig leere Plätze seien.
    Ich hatte mich den Tag über krank gefühlt und war zeitig zur Ruhe gegangen; nun stand ich auf, kleidete mich rasch an und ging hinaus.
    Auf dem Platz brannten Pechpfannen, in deren düsterm Schein eine Anzahl unserer Leute den Scheiterhaufen errichteten. Die große Halle war von Fackeln erleuchtet, und ich sah wirklich, wie es Garcia geschildert hatte, den Inka in der Mitte einer dort aufgestellten Tafel sitzen, vollkommen unbeweglich, und rechts und links von ihm je zwölf goldne Teller. Hinter jedem der dadurch angedeuteten Plätze und auch hinter dem Stuhl des Inka stand ein Diener, der eine mit Speisen besetzte Schüssel trug, fünfundzwanzig an der Zahl, vollkommen unbeweglich, und hinter den Dienern wieder standen in derselben Starrheit, im selben Schweigen die Edelleute und jungen Frauen Atahuallpas.
    Es war ein Anblick, auf den ich nicht gefaßt gewesen war. Man liest zuweilen in Märchen, daß eine ganze Versammlung von Menschen durch das Wort eines bösen Zauberers in Stein verwandelt wird; daran gemahnte mich das Bild, das ich vor mir sah. Dazu die unheimliche Stunde, der unheimliche Ort; Garcia und ich schauten uns betroffen an.
    Inzwischen war Cristoval de Perralta, der den Befehl über die Wachen in der Stadt hatte und die sonderbare Veranstaltung des gefangenen Fürsten ebenfalls bemerkt hatte, zum General gegangen, um ihm Bericht zu geben. Pizarro hatte einige seiner Freunde zu einem Gastmahl geladen, und Cristoval fand sie beim Wein und in lärmender Munterkeit. Seine Erzählung wurde mit groben Scherzen aufgenommen, aber dann sagte der General, dessen Wachsamkeit nie schlummerte, man müsse hinübergehen und sehen, was es mit dem geschilderten Schauspiel für eine Bewandtnis habe.
    Er brach auf, und es begleiteten ihn seine beiden Brüder, Don Almagro, Don Riquelme, della Torre, Alonso de Molina und Cristoval de Perralta. Von der andern Seite des Platzes kam fast zu gleicher Zeit langsam und in seinem Brevier lesend der Pater Valverde und blieb, während das Folgende geschah, wie ein stummer Wächter und Mahner zwischen dem Scheiterhaufen und den Treppenstufen der Säulenhalle stehen.

Kapitel 24
    Die Ritter, zu denen auch Garcia und ich uns gesellt hatten, waren auf einer Seite der Halle zusammengedrängt, und ich glaube, daß selbst die Herzhaftesten einen Schauer verspürten, als sie die völlig versteinerten Peruaner erblickten.
    Plötzlich erhob Atahuallpa die Augenlider und schien uns damit erst zu gewahren. Sein Blick war wie ein heißer Strahl, ich mußte die Augen in andere Richtung lenken, und sie blieben auf den geröteten fleischigen Ohren des Generals haften, der sich dicht vor mir befand. Atahuallpa stand auf, und in seinem Ebenmaß und seiner stolzen Würde war er unbeschreiblich schön anzusehen; das rote Licht der Fackeln umzuckte sein bräunliches Gesicht, und das scharlachne Kleid, das die schlanke Gestalt umschloß, verlieh der Erscheinung etwas Glühendes.
    "Ihr Männer, sagt mir doch, wo kommt ihr her?" begann er leise und mit grüblerischem Ausdruck; "was ist es für ein Land, in dem eure Heimat ist? Sagt mir doch, wie es beschaffen ist und wie ihr es anstellt, darin zu leben: ohne Sonne?"
    "Wie denn, ohne Sonne?" fragte Andrea della Torre verwundert; "meinst du denn, daß bei uns ewige Finsternis herrscht?"
    "So muß ich annehmen, da ihr der Sonne den Krieg erklärt habt", antwortete Atahuallpa.
    "Du und die Sonne, ihr seid also eins?" rief Don Almagro spottend.
    "Seit vielen tausend Jahren", nickte der Inka; "meine Ahnen und ich, seit die Kornfrucht in diesem Lande wächst."
    Es entstand eine Stille, in welcher wir den Pater Valverde draußen beten hörten.
    "Meine Ahnen werden kommen", sagte Atahuallpa geheimnisvoll; "die nicht zu Staub zerfallen sind, werden kommen und mich begrüßen."
    Alle schauten ihn erstaunt an.
    "Aber ihr antwortet mir nicht", begann er wieder und blickte rundum; "warum schweigt ihr auf meine Frage? Scheint denn bei euch dieselbe Sonne? Ihr müßt euch täuschen, es muß eine
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