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Das Gold von Caxamalca

Titel: Das Gold von Caxamalca
Autoren: Jakob Wassermann
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nahen fühlte. Für sie wurden die Wege gereinigt, zu ihrem Empfang bereitete sich draußen in der Landschaft das Volk.

Kapitel 21
    Um die sechste Stunde äußerte Atahuallpa das Verlangen, den General zu sprechen.
    Pizarro kam, gefolgt von seinem Bruder Pedro und dem finsteren Don Almagro.
    Eine Zeitlang blickte Atahuallpa verloren vor sich hin; plötzlich erhob er sich und rief: "Was habe ich getan, was haben meine Kinder getan, daß mich ein solches Los treffen soll, und noch dazu aus deinen Händen? Hast du denn vergessen, wie du von meinem Volk mit Güte und Zutraulichkeit behandelt worden bist? Und ich, habe ich dir nicht Freundschaft genug erwiesen?"
    Der General schwieg.
    Und nun geschah es, daß Atahuallpa, dieser Stolze aller Stolzen, die Hände faltete und um sein Leben bat. Mit ganz leiser Stimme, die Lippen ein wenig vorgewölbt, das Haupt ein wenig gebeugt, mit Augen ohne Glanz. Ich weiß nicht mehr die Worte, vor mir steht unverwischbar, unvergeßbar nur sein Bild. Von vielen ist behauptet worden, Francesco Pizarro sei so erschüttert gewesen, daß er geweint habe. Ich selbst, sagt sein Bruder Pedro in einer Schrift, sah den General weinen.
    Was mich betrifft, ich sah nichts davon. Auch fand der Inka kein Gehör bei ihm. Wenn einer erschüttert ist und weint, so müßte er wohl seines Irrtums inne werden, sollte man denken. Aber ich sah nichts davon.
    Da Atahuallpa erkannt, daß er den General in seinem Entschluß nicht wankend machen konnte, ergriff ihn eine ratlose Scham über die Selbsterniedrigung, zu der er sich hatte hinreißen lassen. Er schlug kreuzweis die Hände über die Brust und verharrte in tiefem Sinnen.

Kapitel 22
    Als eine geraume Zeit in diesem beklemmenden Schweigen verstrichen war, wandte sich Atahuallpa plötzlich zu mir und sagte in seinem gebrochenen Spanisch, daß er von der wunderbaren Kunst des Schreibens vernommen habe, auf die wir uns verstünden, und daß er gern eine Probe davon sehen möchte.
    Ich erkundigte mich, wie er das meine; da sagte er, ich solle ihm ein bestimmtes Wort auf den Nagel seines Daumens schreiben, dann sollten meine Gefährten es lesen und ihm so leise mitteilen, daß nur er allein es hören könne, welches Wort ich geschrieben. Wenn alle dasselbe Wort aussprächen, wolle er nicht länger zweifeln, daß wir mit dieser Kunst wirklich begabt seien.
    Ich wußte nicht gleich, wie ich sein Begehren erfüllen sollte, für das Anlaß und Stunde seltsam gewählt waren. Aber meine Unschlüssigkeit dauerte nicht lange. Ich nestelte eine Agraffe von meinem Gewand, ritzte mich mit der Nadel in den Handrücken und schrieb, mit einiger Mühe zwar, doch immerhin leserlich, auf den Nagel des Inka das Wort Crux. Sodann forderte ich die Ritter auf, heranzutreten. Sie gehorchten teils murrend, teils lachend, und nachdem sie das Wort gelesen, flüsterten sie Atahuallpa leise ins Ohr: Crux. Er war darüber höchst erstaunt, und da alle ohne zu stocken dasselbe Wort nannten, war ihm die geheimnisvolle Macht der Schrift versinnlicht.
    Nur der General hatte sich nicht von seinem Platz gerührt. Francesco Pizarro konnte weder schreiben noch lesen. Obwohl dies vielen unter uns bekannt war, wurmte es ihn, daß er nun vor seinen Offizieren und außerdem vor dem Inka bloßgestellt war, und er schaute düster vor sich hin. Atahuallpa begriff den Zusammenhang, und mit bewundernswertem Zartgefühl war er bestrebt, den begangenen Fehler wieder gutzumachen, indem er lächelnd zu dem General sagte: "Sicherlich hast du schon vorher gewußt, was geschrieben steht. Crux steht geschrieben. Du, ein Gott unter deinen Landsleuten, hattest nicht nötig, dich erst mit deinen Augen zu überzeugen."
    "Ich bin kein Gott. Was weißt du Heide von Gott!" warf Pizarro verächtlich grollend hin.
    "Von eurem Gott weiß ich wenig, von meinem weiß ich viel", war die sanfte Erwiderung. "Euern Gott kann man nicht sehen, der meine wandelt über den Himmel und grüßt seine Kinder täglich."
    Kopfschüttelnd und fast mitleidigen Tons entgegnete der General: "Nur Einen Gott, Unseliger, gibt es, und es wäre gut für dich, wenn du dein Gebet an ihn richten wolltest."
    "Wie kannst du mit solcher Bestimmtheit sagen, daß dein Gott der wirkliche und einzige Gott ist?" fragte der Inka mit hoheitsvoller Ruhe, "und wie soll ich an ihn glauben, da er es doch zuläßt, daß ihr, die ihr stets von seiner Liebe und Barmherzigkeit redet, unschuldige Menschen mordet?"
    Der General schwieg und wandte sich ab.

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