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Das Gold von Caxamalca

Titel: Das Gold von Caxamalca
Autoren: Jakob Wassermann
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befunden, und der Spruch lautete dahin, daß er noch am selben Abend auf dem großen Platz in Caxamalca bei lebendigem Leib verbrannt werden sollte.

Kapitel 19
    Welch verdächtige Eile, zu der sich der General getrieben fühlte; vor allem fürchtete er die Rückkehr Hernandos de Soto; weshalb, ist mir eigentlich nie recht klar geworden. De Soto war ein starker und redlicher Charakter, auch gehörte er einer einflußreichen und mächtigen Familie an. Was hatte aber Francesco Pizarro zu fürchten, außer Mißlingen und Tod?
    Auf meine unbedeutende Person Rücksicht zu nehmen, hatte er keinen Grund, obwohl ihm meine Gesinnung in dieser Angelegenheit bekannt sein mußte; ich heuchelte ihm gegenüber nicht wie seine Schönredner und vermochte nicht jede seiner Handlungen zu bewundern. Ich war meiner ganzen Natur nach zum schweigenden Zuschauer bestimmt: ich bin ein Stotterer; ich bin es auch innen; damals war mir das Wort noch weniger gegeben als heute, und was ich sah und empfand, rann erst durch viele Kanäle, bevor es in mein Bewußtsein und in das Licht des Herzens trat.
    Es war wünschenswert, die ausdrückliche Billigung des Pater Valverde zu dem Verfahren wider den Inka zu erlangen. Dem Mönch wurde eine Abschrift des Urteils vorgelegt, damit er es unterzeichne. Ich war zugegen, als er es las. Sein Blick flog unsicher über die Seiten, er setzte seinen Namen unter das Dokument, neben die drei Kreuze, die der General gemacht hatte, und sagte mit finsterer Ruhe: "Er möge sterben."
    Seit diesem Tag sind dreißig Jahre an mir vorübergezogen, und man sollte meinen, daß das Bild verblaßt sei. Dem ist aber nicht so. Im Gegenteil, jede Gestalt und jede Farbe steht noch mit derselben Deutlichkeit vor mir, jedes Wort haftet noch mit derselben Schärfe in meinem Gedächtnis. Was verschlägt es, dreißig Jahre? Und wenn es dreihundert, und wenn es dreitausend sein werden, die ihren Staub und Moder darübergeschüttet haben, das Gedächtnis der Menschheit wird so unerbittlich sein wie meines. Des bin ich sicher in meiner Einsamkeit.

Kapitel 20
    Atahuallpa ging aus dem Saal, aber kurz nachher ließ er den General bitten, er möge die Hinrichtung bis zum folgenden Morgen verschieben, da er im Angesicht der Sonne sterben wolle. Don Almagro und einige andere erhoben Einspruch dagegen, aber der General gewährte die Bitte des Fürsten. Zugleich traf er allerlei Vorkehrungen gegen einen Angriff der Peruaner, die vielleicht im letzten Augenblick noch versuchen würden, ihren König zu retten. Man hatte seit einigen Tagen eine auffallende Bewegung auf den Landstraßen und in den Bergtälern bemerkt. Die Wachen wurden infolgedessen verstärkt und die Feldgeschütze geladen.
    Es gab außer mir noch einige andere Männer im Lager, die sich dem Todesurteil widersetzten, und nicht bloß stumm wie ich. Sie verwarfen die urkundlich festgestellten Beweise als unzulänglich oder willkürlich und leugneten die Befugnis, ein solches Gericht über einen regierenden Fürsten inmitten seiner eigenen Staaten zu halten. Doch mit ihren Argumenten regten sie die große Mehrheit nur zum Zorn auf, und abermals entstand Hader, abermals widerhallten Platz und Straßen von tobendem Geschrei und Waffengerassel.
    Der Inka erkundigte sich bei mir, was der Lärm bedeute. Ich hatte nicht den Mut, ihm die Wahrheit zu gestehen. Mit Ketten an den Füßen kauerte er in der Mitte des Raums. Seit der Verkündigung des Urteils hatte man für nötig befunden, ihn auf so schimpfliche Weise zu fesseln. Rings saßen schattenstill seine Getreuen. Er war sichtlich in Unruhe und hob bisweilen den Kopf, als wolle er Ausschau halten. Am späten Nachmittag traf ein Bote ein, flüsterte etwas, warf sich auf die Erde nieder und blieb regungslos liegen. Nach einer Stunde erschien ein zweiter, nach einer weiteren Stunde ein dritter. Sie mußten einen Auftrag gehabt haben, dessen Vollziehung dem Inka sehr am Herzen lag, denn jedesmal, wenn er die geflüsterte Meldung vernommen, wurde seine Miene heller und wich die Unruhe von seinem Wesen.
    Er erwartete die Ankunft seiner Ahnen. Das war auch die Ursache der Bewegung, die wir seit mehreren Tagen unter den Peruanern wahrgenommen hatten. In der Voraussicht und im deutlichen Vorgefühl seines Schicksals hatte Atahuallpa schon vor vielen Tagen nach dem großen Tempel der Sonne in Cuzco geschickt, damit seine toten Ahnen zu ihm kämen, da er nicht zu ihnen kommen und das Totenmahl halten konnte, wie es jeder Inka tat, der sein Ende
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