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Das Glücksbüro

Das Glücksbüro

Titel: Das Glücksbüro
Autoren: Andreas Izquierdo
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beiden offensichtlich Mächten ausgesetzt waren, die stärker waren als sie selbst.
    Sogar seine Flora aus Legenden der Leidenschaften konnte am Nachmittag nicht widerstehen. Am Ende der aufregenden Folge verfiel sie offenbar dem Charme des gut aussehenden, aber wenig seriösen Sohnes des reichen Gutsbesitzers, Franco. Albert hatte die Szene geradezu atemlos verfolgt und darüber sogar vergessen, seine Schogette zu lutschen, sodass sich die Schokolade inzwischen wie warmer Kakao in seinem Mund breitgemacht hatte.
    Umso erstaunlicher war, dass Flora, die sich so wunderbar im Hintergrund gehalten hatte, im Arm des jungen Liebhabers lag. Sie wehrte sich, wenn auch nicht mit letzter Kraft. Albert glaubte, dass sie spielend hätte entkommen können, aber seltsamerweise wollte sie gar nicht entkommen. Oder doch? Sehr verwirrend, denn auch das, was sie sagte, stand im glatten Widerspruch zu dem, was sie tat. Nur der junge schöne Mann tat das, was er sagte, aber es gefiel Albert überhaupt nicht. Er hatte genauso wenig Kinderstube wie Mike.
    Franco: »Sag, dass du mich nicht liebst!«
    Flora: »Ich liebe dich nicht, du Schurke!«
    Franco: »Dann sag: Nein! Wenn du kannst.«
    Er nähert sich zum Kuss.
    Flora (schwach): »Nein, nein …«
    Er küsste sie leidenschaftlich, sie stieß ihn zurück, dann umarmte sie ihn und gab sich seiner Hitze hin. Abblende.
    Albert war empört: Sie hatte eindeutig Nein gesagt! Es hatte Franco wenig geschert. Und zur Belohnung gibt sie sich ihm auch noch hin? Unfassbar! In seine Empörung mischte sich Unwohlsein, denn Albert ängstigten Menschen, die etwas anderes taten als das, was sie vorher angekündigt hatten. Sie mussten doch beide wissen, dass dies ungeahnte Komplikationen und Konflikte nach sich ziehen würde! Wer wollte denn so etwas sehen? Albert jedenfalls nicht.
    Nach der Empörung und dem Unwohlsein kam die Sorge: Flora wäre diesen Mächten doch niemals gewachsen! Sie würde zerquetscht werden von denen, die stärker, gemeiner, niederträchtiger waren als sie. Sie musste unbedingt fliehen. So schnell sie konnte. In ein anderes Haus. Ein sicheres Haus. Wo sie wieder die sein konnte, die sie war: ein Geist, der die anderen bei ihrem tagtäglichen Lebenskampf beobachtete.
    Die Gedanken beschäftigten ihn, während er seine Wäsche machte, in der Zeitung las, bügelte, in der Kantine bei Kerzenschein zu Abend aß und auch noch, als er sich den Pyjama anzog. Wechselten zwischen Legenden der Leidenschaften und dem Amt für Verwaltungsangelegenheiten hin und her. Zwischen Elisabeth und Flora, Mike und Franco. Ordnung und Chaos.
    Beim Zähneputzen hatte er eine Idee. Vielleicht gab es Mächte, gegen die man sich nicht wappnen konnte, aber es gab auch Anstand, den zu wahren jeder verpflichtet war. Mike hatte genauso dagegen verstoßen wie Franco. Albert war sich sicher, dass Franco dafür sicher noch die Rechnung präsentiert bekäme, bei Mike wollte er das übernehmen.
    Es wurde mal wieder Zeit für eine kleine Lektion, auch wenn dies sein Spielfeld möglicherweise wieder ein Stückchen größer machen würde. Aber Mike und Elisabeth hatten sich ja schon in sein Leben gedrängt, da war es vielleicht gar nicht schlecht, ein bisschen zusätzlichen Platz zu schaffen. So oder so versprach der morgige Tag ein interessanter zu werden.
    Er wurde mehr als das. Viel mehr.
    Genau genommen wurde es der Tag, der Alberts Leben für immer veränderte.

DER ANTRAG

10.
    Es war nicht nur die erzieherische Maßnahme gegen Mike, sondern vor allem der Antrag , der Albert aus seinem Bau scheuchen sollte. Ein unerhörter, nie da gewesener Antrag, einer, der den besten Beamten – und der war nun mal ohne jeden Zweifel Albert – vor ein unlösbares Rätsel stellte und ihm alles abverlangen sollte, sogar mehr, als er eigentlich zu leisten imstande war. Und das erschütterte nicht nur Albert, sondern auch das Amt für Verwaltungsangelegenheiten in seinen Grundfesten. Das Beben war so gewaltig, dass es alles mit sich zu reißen drohte. Ja, man kann sagen, dass für einen Moment das ganze System auf der Kippe stand.
    Dabei hatte der Tag angefangen wie immer: um fünf Uhr morgens mit einem Mordsradau des antiken Weckers. Mit Körper- und Haarpflege, mit einem makellosen Anzug und blank polierten Schuhen. Sogar mit dem obligatorischen Vitamindrink, der Albert regelmäßig erschauern ließ.
    Albert riss ein Blatt vom Kalender: 15.   Februar. Dann nahm er sein Klemmbrett und durchforschte die Namen, bis er auf den
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