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Das Glück mit dir (German Edition)

Das Glück mit dir (German Edition)

Titel: Das Glück mit dir (German Edition)
Autoren: Lily Tuck
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Sommer etwas Neues vorfinden – einen Ofen, einen Kühlschrank, eine Innentoilette, Vorhänge. Es macht Philip und Nina nichts aus, wenn sie wegen Schlechtwetter im Haus bleiben müssen. Das Leben auf der Insel ist einfach, das Essen reichlich: Austern, Langusten, viele Sorten Fisch; im Ort ist jeden Vormittag Markt. Nina kauft Gemüse, Brot und Käse aus lokaler Produktion – ein Ziegenkäse mit beißendem Wildgeschmack. Sie und Philip schwimmen, sonnen sich, lesen; in einem Sommer lesen sie den gesamten Proust auf Französisch: Longtemps, je me suis couché de bonne heure. Parfois, à peine ma bougie é teinte, mes yeux se fermaient si vite que je n’avais pas le temps de me dire »Je m’endors«. – Philip kann etliche Seiten auswendig rezitieren. Nachmittags, wenn Wind aufkommt, geht er segeln und sie malt – oder versucht es zumindest.
    Bekanntlich verbrachte Claude Monet einen Sommer auf Belle-Île. Ein gerahmtes Poster seines Gemäldes der Atlantikküste – Felsen, die wie prähistorische Tiere ihre gezackten, gefährlichen Köpfe aus dem Wasser recken   – hängt in ihrem Atelier. Lange und eingehend hat sie das Gemälde und die Felsen betrachtet, die sie ebenfalls malen möchte. Das Meer vor allem. Wie bedrohlich es in Monets Gemälde wirkt und wie lahm und unlebendig in ihrem eigenen. Ihr Meer sieht wie eine Suppe aus. Schließlich gibt sie es auf und zerreißt das Bild. Später, wieder zu Hause, malt sie das Motiv noch einmal als abstrakte Darstellung. Die Felsen sind vertikale braune Linien, das Meer blaue, grüne und rote horizontale Streifen. Das Bild ist beinahe gelungen.
    Louise lernt auf Belle-Île schwimmen und Fahrrad fahren. Ein paar Jahre später bringt ihr Philip auch das Segeln bei.
    Du solltest mal sehen, wie Lulu den Spinnaker setzt, rühmt Philip. Sie schafft es in zwanzig Sekunden. Er ist stolz auf sie.
    Nina hat eine Affäre auf Belle-Île, aber daran mag sie nicht denken.
    Nein, nicht jetzt.
    Es ist nur ein kurzer Fußweg vom Haus zum Meer. Jedes Jahr geht sie gleich nach der Ankunft erst einmalhinunter an den Strand zum Schwimmen. Das kalte Wasser ist jedes Mal ein Schock, aber erfrischend und gibt Nina nach der langen Reise das Gefühl von Sauberkeit.
    Jean-Marc.
    War das deine erste Atlantiküberquerung?, fragt Nina, als sie ihn kennenlernt.
    Er ist einhand ein Rennen von Belle-Île zu einer Karibikinsel gesegelt, und er hat gewonnen. Die Siegesfeier findet in einem Restaurant des Ortes statt.
    Er hat blondes Haar, ist kräftig gebaut und nicht groß – nicht größer als Nina –, seine Augen sind hellblau wie bei einem Hund. Einem Husky. Oder so blau wie die Karibik. Er ist ein wenig jünger als Nina.
    Nein, nein, sagt er lachend zu ihr. Das war mein neunter Trip über den Atlantik.
    Oh. Sie wendet sich verlegen ab.
    Seine hübsche Frau, Martine, steht neben ihm und lächelt zu ihm hinauf.
    Danach stellt Philip Jean-Marc eine Menge Fragen: Was für Segel benutzt er? Hat er Radar an Bord? LORAN? Wie präzise das sei? LORAN, erfährt Philip, reagiere empfindlich auf die ionosphärischen Effekte bei Sonnenauf- und -untergang und sei nachts nicht zu gebrauchen.
    Mit Navigationssystemen habe ich noch nie Probleme gehabt. Mit der Natur hingegen schon, antwortet Jean-Marc. Die Natur kann einem ganz schön zu schaffen machen. Vor zwei Jahren, ich war auf halbem Weg über den Atlantik, hängte sich eine Walkuh an meinBoot. Sie schwamm auf der einen Seite nebenher, dann tauchte sie ab und verschwand für ein paar Minuten   – Jean-Marc deutet den abtauchenden Wal mit einer Geste an –, um auf der anderen Seite wieder aufzutauchen. Sie spielte mit mir. Das hat sie zwei Tage und zwei Nächte lang gemacht – ich sehe immer noch die kleinen Augen des Wals in der Dunkelheit zu mir heraufleuchten, sagt Jean-Marc kopfschüttelnd. Es machte mich – wie sagt man? complètement fou .
    Im Französischen ist der Wal weiblich, la baleine , erklärt Philip Nina und ahmt, während er die Geschichte erzählt, Jean-Marcs Akzent und Gesten nach.
    Ich weiß, sagt sie.
    Je sais.
    Philips Selbstsicherheit versetzt sie immer wieder in Erstaunen. Es ist nicht Arroganz, sondern ein Vertrauen, teilweise gegründet auf altmodischen Prinzipien und teilweise auf Intelligenz, das Wissen, dass er recht hat, was auch meistens stimmt. Nina findet das ebenso beruhigend wie aufreizend.
    Seltsam eigentlich, denkt Nina zum hundertsten Mal, wie Philip, der hunderte Kilometer von der Küste entfernt geboren wurde
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