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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies
Autoren: Petra Durst-Benning
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bisher verborgen geblieben …
    Sie schüttelte sich unwillkürlich wie eine Katze, die einen unerwarteten Regenguß abbekommen hat. Um sich abzulenken, griff sie nach einem der Papierbögen.
    Â»Noch eine Vogelfigur?« Sie hatte Mühe, nicht enttäuscht zu klingen. War es ihr immer noch nicht gelungen, ihren Vater davon zu überzeugen, daß seine alten Glasfiguren in Tierform auf dem Markt nicht mehr gefragt waren?
    Â»Das soll ein Kuckuck sein – erkennst du das denn nicht?« gab Thomas Heimer zurück.
    Â»Wir haben einen Auftrag von Karl-Heinz Brauninger bekommen«, kam es nun von Michel, der bisher noch keinen Ton gesagt hatte. Was nicht ungewöhnlich war. Ungewöhnlich war vielmehr die Tatsache, daß er sich überhaupt aus seinem Zimmer herausbequemt hatte. Ja, es hatte sich einiges verändert in den letzten Monaten …
    Â»Ein Hotel im Schwarzwald will, daß wir Entwürfe für Wein- und Wassergläser, Obstteller und große Servierplatten schicken. Jedes Teil soll mit einem Kuckuck verziert sein. Warum es ausgerechnet dieser Vogel sein soll, weiß der Kuckuck!« Er lachte über seinen eigenen Scherz.
    Richard hielt Wanda eine Zeichnung hin. »Ich bin dafür, die Figuren einzugravieren, vielleicht auch einzuätzen, aber dein Vater will sie auf die gute alte Art und Weise aufmalen. Was meinst du?«
    Angestrengt schaute Wanda auf die fein ausgearbeitete Zeichnung, die Richards unverkennbare Handschrift trug. Ein Kuckuck? Ein Auftrag aus dem Schwarzwald? Hattendie denn nicht genügend eigene Glasbläser? Bevor sie antworten konnte, nahm Richard ihr den Entwurf schon wieder aus der Hand.
    Â»Vielleicht wäre es am besten, einfach ein paar Musterteile unterschiedlicher Art herzustellen …«
    Â»Ja, dann könnten wir auch gleich sehen, ob …« Munter plauderte Thomas Heimer weiter.
    Entgeistert schaute Wanda von einem Mann zum anderen.
    Natürlich freute sie sich über den neuen Auftrag und über die Begeisterung, die ihr Vater und Michel an den Tag legten. Die Zeiten, in denen die Flamme am Heimerschen Bolg fast gar nicht mehr glühte, lagen schließlich noch nicht lange zurück. Daß Karl-Heinz Brauninger nach dem ersten Auftrag, den sie von ihm bekommen hatten, mit Folgeaufträgen daherkam, zeigte, wie gut Thomas Heimer war.
    Aber … interessierte denn wirklich niemanden, wie es ihr ging? Was auf dem Amt vorgefallen war? Warum saßen sie hier und debattierten über einen Kuckuck? Marie war tot und hatte ihr Sylvie hinterlassen! Wieso ließen die Männer sie einfach links liegen?
    Â»Ihr seid so herzlos!« Unvermittelt brach Wanda in Tränen aus. Heulend schleuderte sie den Männern ihre Vorwürfe an den Kopf.
    Thomas Heimer und sein Bruder Michel schauten sich an.
    Michel räusperte sich. »Haben wir nicht noch etwas Dringendes zu erledigen?«
    Thomas Heimer nickte hastig.
    Schon im nächsten Moment waren Richard und Wanda allein. Er nahm sie in den Arm und wiegte sie wie ein Kind, das einen Alptraum hat. Nur langsam beruhigte sie sich.
    Â»Du hast vollkommen recht«, murmelte er in ihr Ohr. »Wir sind wirklich eine herzlose Bande. Aber … weißt du …« Er seufzte.
    Mit tränenverhangenen Augen schaute sie ihn an. »Ja?«
    Â»Bei uns in Lauscha hat man gelernt, daß ein Unglück nicht nachläßt, indem man ewig und drei Tage darüber spricht. Es mindert viel eher den Schmerz, wenn man nach vorn schaut! Wenn man das, was einem weh tut, so schnell wie möglich vergißt.«
    Â»Und wenn einem das nicht gelingt?« fragte Wanda mit belegter Stimme. Wie sollte sie Marie je vergessen? Sie wollte Marie nicht vergessen!
    Ihr Weinkrampf hatte sie erschöpft, und sie hatte das Gefühl, nicht mehr richtig durchatmen zu können. Kraftlos holte sie Luft, brachte jedoch außer einem Gähnen nichts zustande.
    Â»Dir bleiben doch all die schönen Momente, die du mit Marie erlebt hast! Erinnere dich an eure Zeit in New York, an all das, wovon du mir mit so strahlenden Augen erzählt hast! Diese Zeit kann dir niemand nehmen, oder?«
    Â»Natürlich nicht.« Trotz dieses tröstlichen Gedankens blieb die Enttäuschung über das Desinteresse von Richard und ihrem Vater.
    Richard hob ihr Kinn an, sein Blick suchte den ihren. »Wenn wir erst einmal verheiratet sind, wirst du eh keine Zeit mehr haben zum
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