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Das Gift der Engel

Das Gift der Engel

Titel: Das Gift der Engel
Autoren: Oliver Buslau
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In seinem Schein erkannte Alban, dass sie an eine hohe hölzerne Eingangstür gelangt waren. Die Zufahrt verbreiterte sich zu einem großen Platz. Auf der anderen Seite befand sich eine Garage. Das Tor stand offen.
    Simone drückte die Türklinke nach unten. Verschlossen.
    Alban versuchte sich zu orientieren. Die Fassade, vor der sie standen, war recht schmal. Offensichtlich befanden sie sich an der Stirnseite des Gebäudes. Die lang gestreckte Seite des Hauses, die sie am Sonntag durch das Loch in der Mauer hatten sehen können, musste auf der linken Seite liegen.
    »Komm«, sagte Alban.
    Sie verließen den gelblichen Lichtkegel. Alban spürte unter seinen Sohlen, dass sie jetzt weichen Rasen betraten. Wieder dauerte es eine Weile, bis sich seine Augen an die Finsternis gewöhnt hatten, dann erkannte er, dass das Gebäude hier hinten auf zwei Seiten eine große Grasfläche umschloss – wie ein riesiges, eckiges Hufeisen.
    »Ob es einen zweiten Eingang gibt?«, fragte Alban.
    »Ich glaube, hier links ist etwas.« Simone lief auf das Gebäude zu. Sofort wurde ihre fahle Gestalt von der Schwärze verschluckt.
    »Nikolaus!«, hörte Alban sie rufen. »Ich hab was gefunden.«
    Er bewegte sich über den Rasen und versuchte die Richtung zu halten, aus der die Stimme gekommen war. Das Gebäude schien dabei riesenhaft vor ihm aus der Erde zu wachsen.
    »Wo bist du denn?«, rief er ärgerlich. Im nächsten Moment spürte er, wie sein rechter Fuß irgendwo hängen blieb und er nach vorne fiel.
    »Pass auf, da ist eine Mauer«, rief Simone von irgendwo, aber da war Alban schon gestürzt. Er hörte schnelle Schritte, die auf ihn zukamen.
    »Alles in Ordnung?«
    Alban saß auf hartem Untergrund und rieb sich sein Knie.
    »Ich glaube schon«, stöhnte er. »Nichts passiert.«
    »Hier führt ein Weg an dem Gebäude entlang. Und ein Stück weiter geht eine Treppe runter. Da ist eine Kellertür. Sie ist nicht abgeschlossen.«
    Alban tastete sich die Stufen hinunter. War das finster! Wie konnte sich Simone hier nur so einfach bewegen? Die Jugend hat eben bessere Augen, dachte er.
    »Kommst du klar?«, fragte sie. »Ich helf dir. Gib mir deine Hand.«
    »Es geht schon.« Alban prüfte mit den Fußspitzen Stufe für Stufe, bis er endlich unten angekommen war. Absolut gar nichts war zu erkennen. Als er die Hand ausstreckte, stieß er an eine rissige Mauer.
    Es gab ein schleifendes Geräusch, als Simone die Tür öffnete. Typischer Kellergeruch drang an Albans Nase. Ein Gemisch aus verschiedenen Aromen: nasser Stein, Waschlauge, Staub.
    Eine Neonröhre flackerte auf. Alban blinzelte in einen großen Raum. An der einen Wand stand eine Waschmaschine nebst Trockner, daneben ein Tiefkühlschrank mit digitaler Temperaturanzeige. Auf der anderen Seite reihten sich Schränke mit Lebensmittelvorräten: Konserven, Packungen mit Nudeln. Davor Kisten mit Mineralwasser.
    »Bernardi scheint hier tatsächlich zu wohnen«, sagte Simone.
    »Nicht nur er. Da bin ich sicher.«
    »Aber das Haus liegt völlig im Dunkeln. Ich glaube nicht, dass hier noch jemand ist.«
    »Finden wir es heraus, bevor er zurückkommt.«
    Simone schüttelte den Kopf. »Sollen wir diesen Einbruch hier wirklich weitertreiben?«
    Natürlich nicht, dachte Alban. Natürlich geht das nicht. Aber er spürte, wie er von Sekunde zu Sekunde stärker dem entgegenfieberte, was er oben in dem Haus vielleicht finden mochte.
    Und wenn er wirklich da ist, dachte er, würde ich so gern seine Stimme hören …
    »Nikolaus, was ist mit dir los?«
    Er riss sich zusammen.
    »Nichts. Du hast recht. Wir rufen jetzt Gerhard an. Ein letztes Mal. Er wird mir zuhören, wenn ich ihm sage, dass Bernardi wirklich hier oben wohnt. Das kann kein Zufall sein …«
    Simone zog ihr Handy hervor. »Weißt du die Nummer?«
    »Ja, sicher.« Die innere Erregung ließ seine Stimme zittern.
    Während Simone die Nummer eintippte, versuchte er seine Ungeduld zu bezähmen, indem er sich weiter umsah.
    Ein Keller wie in einem ganz normalen Einfamilienhaus. Alban musste unwillkürlich lächeln, als er ein paar grüne Gummistiefel in der Ecke bemerkte. Sogar die fehlten nicht. Irgendwo hier unten gab es sicher auch Gartengeräte. Einen Gartenschlauch zum Bewässern. Einen Rasenmäher.
    Aber keine Noten. Kein Archiv. Keine CDs.
    »Verdammt«, sagte Simone neben ihm.
    Er fuhr herum. »Was ist los?«
    Sie ging zur Tür, die nach außen führte, und verschwand in der Dunkelheit. Alban hörte, wie sie die Treppe hinauflief.
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