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Das Gift der Engel

Das Gift der Engel

Titel: Das Gift der Engel
Autoren: Oliver Buslau
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Bäume.
    Er wird sie wiedersehen.
    Sie.
    Sie wartet auf ihn.
    Er läuft und läuft, bis ein fremdes Geräusch an seine feinen Ohren dringt.
    Motorengeräusch. Es kommt rasch näher.
    Der Junge bleibt stehen und dreht sich um. Irgendwo im Wald tastet sich ein Scheinwerfer durch die Bäume. Im letzten Moment, bevor der Wagen um die Kurve kommt, springt der Junge ins Gebüsch.

     
    »Das ist der größte Quatsch, den ich jemals gehört habe.«
    »Aber wieso?«, rief Alban. »Es ist alles schlüssig!«
    »Was du mir da weismachen willst, glaube ich einfach nicht. Zumal es nur auf deiner sehr eigenwilligen Auslegung dieses Gedichts von Dagmar Dennekamp beruht. Kein Richter würde dir auch nur eine Sekunde zuhören.«
    Alban konnte darauf nichts sagen. In der Leitung herrschte Stille.
    »Ich glaube, du musst mal ausspannen, Nikolaus.«
    »Ich weiß, dass ich recht habe.«
    »Ich mache mir Sorgen um dich. Hat es immer noch mit Leas Tod zu tun?«
    »Das kannst du dir sparen.«
    Alban biss sich auf die Lippen. Wie konnte er Kessler überzeugen? Plötzlich kam ihm eine Idee.
    »Wie heißt denn nun euer Zeuge?«
    »Das werde ich dir nicht auf die Nase binden.«
    »Sein Name ist nicht zufällig von Schaumburg? Guido von Schaumburg?«
    Kessler schwieg. Nach einer Weile sagte Alban: »Keine Antwort ist auch eine Antwort.«
    Damit legte er auf.

23
    Er hatte sich fieberhaft den Kopf darüber zerbrochen, ob Simone erwähnt hatte, in welches Kino sie ging. Schließlich glaubte er sich zu erinnern, dass sie im Godesberger Kinocenter war. Auf dem kleinen Parkplatz gegenüber fand er wie durch ein Wunder eine Lücke.
    Als Alban vor dem Eingang angekommen war, wurde ihm klar, dass er gar keine Chance hatte, an Simone heranzukommen. Ihr Handy war ausgeschaltet, das hatte er bereits herausgefunden. Sogar wenn er sich eine Karte kaufen und hineingehen würde – es hätte keinen Zweck. Wie sollte er sie im voll besetzten Kino finden?
    Alban fragte an der Kasse, wie lang der Film noch lief. Die Antwort war ernüchternd. Eine gute halbe Stunde.
    Er stellte sich an den Eingang und versuchte, seine wachsende Ungeduld unter Kontrolle zu bringen.

     
    Der Junge beobachtet aus einem Versteck, wie der Wagen hinunter ins Tal rast. Auch als das Motorengeräusch verschwunden ist, bleibt er noch eine Weile zwischen den Büschen.
    Seine Zuversicht ist plötzlich wie weggeblasen. Wie hat er nur so optimistisch sein können! Natürlich ist der Mann genau jetzt damit beschäftigt, ihn zu suchen. Und er wird ihn schnell finden!
    Verzweiflung packt ihn. Soll er reumütig zurückkehren?
    Nein!
    Wenn er schon zurückmuss, will er vorher wenigstens alles versuchen. Jede Chance ergreifen.
    Vorsichtig, als würde er von unsichtbaren Verfolgern gejagt, kriecht der Junge aus seinem Versteck. Auf der Straße klopft er sich die Blätter und Nadeln von der Kleidung und läuft weiter.
    Weiter ins Tal hinein.

     
    Mindestens ein Dutzend Mal war Alban nahe dran, allein zu fahren. Dasselbe Dutzend Mal sagte er sich, dass es keinen Zweck hatte. Er brauchte Simones Hilfe. Außerdem hatte er das dringende Bedürfnis, mit ihr seine Theorie durchzusprechen. Vielleicht war er ja doch auf dem Holzweg. Vielleicht stimmte eine Kleinigkeit nicht – eine Kleinigkeit, die die ganze Theorie zum Einsturz brachte …
    Und der Plan, der sich in seinem Kopf abzeichnete, war gefährlich. Konnte er sich überhaupt darauf einlassen? Aber die Zeit drängte.
    Er versuchte sich abzulenken, indem er seine Theorie auf Schwachstellen absuchte. Ab und zu schien eine aufzutauchen. Zum Beispiel war es ein wirklich gewichtiges Argument, dass es nicht so einfach war, einen Jungen zehn Jahre in einem Anwesen mitten in Deutschland zu verstecken. Da musste es viele Mitwisser geben, die alle nicht zur Polizei gingen. Und der Junge muss bei der Sache mitspielen, dachte Alban. Und der Junge muss begabt sein. Extrem begabt!
    Alban drehte und wendete die Gedanken. Endlich tat sich etwas in den Gängen des Kinos. Menschen strömten heraus. Und dann fand er Simone.
    Sie machte ein erstauntes Gesicht, als sie ihn sah. »Nikolaus. Was machst du denn hier? Ist was passiert?«
    »Ich muss mit dir reden.«
    Simone blieb in dem Menschenstrom stehen, und neben ihr hielt ein junger, blasser Mann, der misstrauisch dreinsah.
    »Das ist Tommy«, sagte Simone und stellte Alban vor. Hatte sie nicht gesagt, sie sei mit einer Freundin unterwegs?
    »Könntest du dich von den restlichen Plänen des Abends losreißen?«,
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