Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gewicht des Himmels

Das Gewicht des Himmels

Titel: Das Gewicht des Himmels
Autoren: Tracy Guzeman
Vom Netzwerk:
ihr restlicher Körper stand beinahe in Flammen, sie war nervös und un ruhig. Auf den Fersen wippte sie vor und zurück und drückte die Bücher an die Brust. Als sie den Türknauf berührte, fühlte er sich geradezu elektrisch an; ein Sonnenstrahl, der zwischen den Kiefern hindurchschien, hatte ihn aufgeheizt. Sie hielt den Türknauf fest, obwohl er ihr fast die Handfläche verbrannte.
    Eine Brise kam über den See geweht und brachte das Echo der Möwen und den beißenden Geruch der Maifische, die nach dem gestrigen Sturm am Strand verrotteten. Alice blickte auf zu dem Labyrinth aus ineinander verknoteten Ästen, zwischen denen helle Stücke bleichen Himmels leuchteten. Ihr wurde ganz schwindlig, und sie fasste den Türknauf noch entschlossener.
    Kommt jederzeit vorbei, hatte er gesagt. Als Bayber diese Einladung aussprach, nickte Alices Mutter zögerlich und beäugte den Hund, der eine Planke nach der anderen beschnüffelte. Der Vater stand mühsam aus seinem bejahrten Adirondack-Stuhl auf, und die Anlegestelle unter ihnen schwankte. Es war, als hätte sich durch die plötzliche Bewegung etwas verändert. Alice hatte das Gefühl, sie und ihre Familie seien plötzlich nicht mehr die Menschen, die sie noch vor wenigen Augenblicken gewesen waren.
    »Felicity Kessler«, sagte die Mutter und streckte Bayber die Hand hin. »Und das ist mein Mann Niels. Jeden August mieten wir das Ferienhaus der Restons. Sie kennen bestimmt Myrna. Also Mrs. Reston?«
    »Meine Familie gewährt mir nicht oft Ausgang.« Er zwinkerte der Mutter zu, und Alice war schockiert, dass ihrer Mutter das Blut in die Wangen schoss. »Myrnas – ich meine, Mrs. Restons Name ist sicher mal gefallen, aber ich habe sie noch nicht persönlich kennengelernt.«
    »Da haben Sie aber Glück gehabt«, bemerkte der Vater.
    »Niels!«
    »War nur ein Witz. Wie meine Frau Ihnen sicher gleich sagen wird, ist es immer praktisch, jemanden zu kennen, der so … so gut informiert ist.«
    »Bitte, nennen Sie mich Thomas.« Er trug einen dunklen Pullover, der sich an den Ärmelbündchen schon auflöste, darunter ein weißes Button-Down-Hemd und farb verspritzte Khakihosen. In der Hand hielt er einen Korb mit Trauben. »Hier«, sagte er und gab ihn dem Vater. »Wir wissen gar nicht mehr wohin mit unseren Trauben. Es wäre jammerschade darum.«
    Als keiner etwas entgegnete, redete er einfach weiter. Entweder bemerkte er den zurückhaltenden Blick des Vaters nicht, oder es war ihm egal.
    »Betrachten Sie die Trauben als Friedensangebot. Als Entschuldigung für Neela. Meine Mutter meint, wir hätten viel gemeinsam. Wir seien beide total unerziehbar!«
    In diesem Moment wurde Alice klar, dass sie ihn mochte. Bis dahin hatte sie ihn einfach nur seltsam gefunden, mit seinen fleckigen Kleidern, dem widerspenstigen Haar und Augen so grau wie der See am Morgen. Er war zu selbst sicher und zu groß. Und er sah die Kesslers unverwandt an – das war etwas, was ihre Mutter ihr streng verboten hatte. Er versuchte erst gar nicht, diskret zu sein, er starrte, als könnte er ihnen geradewegs durch die Haut schauen, tief in sie hinein, dorthin, wo sie ihre Schwächen und Unsicherheiten verbargen.
    Alice war es nicht gewohnt, dass andere Menschen so direkt waren, schon gar nicht am See, wo die Unterhaltungen der Erwachsenen vor Begeisterung und Unaufrichtigkeit nur so strotzten. Wir müssen unbedingt etwas miteinander trinken, solange Sie hier sind! Sie müssen auf einen Cocktail zu uns kommen! Was für bezaubernde, hübsche Kinder Sie doch haben! Ich rufe Sie bald an! Der ganze August lag vor ihr, und sie hatte geglaubt, das einzig Spannende daran wären ihre Bücher. Aber neben einem unerziehbaren Menschen zu wohnen, das schien die Rettung zu sein.
    »Ich bin Alice«, sagte sie und beugte sich hinunter, um Neela am Kopf zu streicheln. »Was für eine Rasse ist das denn?«
    Er überragte sie deutlich. Seine Wimpern waren schwarz und mädchenhaft lang, auch seine Haare waren schwarz und lang und rollten sich lockig über seinen Hemdkragen.
    »Alice, nett dich kennenzulernen. Tja, ich weiß nicht, was sie für Eltern hatte. Ich habe da so meine Vermutungen, aber als Gentleman möchte ich keine falschen Anschuldigungen in den Raum stellen. Es gibt da einen Border Collie und einen Yorkie, die oft auf dem Marktplatz in der Stadt sitzen. Immer wenn wir vorbeifahren, macht Neela ein fürchterliches Theater. Wahrscheinlich sind es Verwandte von ihr.«
    Alice legte eine Hand an die Stirn, um sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher