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Das Geschenk: Roman

Das Geschenk: Roman

Titel: Das Geschenk: Roman
Autoren: David Baldacci
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die Treppe scharfe Neunzig-Grad-Kehren vollführte. Tom zog den verheißungsvollen Schluss, dass diese Raumersparnis sich durch die enorm großen Schlafabteile erklärte. Dann schaute er hoch und erkannte, dass er ein beachtliches Hindernis vor sich hatte.
    Die Frau war schon älter und schien mit einer Art Nachthemd bekleidet zu sein, obwohl es noch keine vier Uhr nachmittags war. Sie befand sich am oberen Ende der Treppe und machte Anstalten, herunterzusteigen. Tom stand auf der vorletzten Stufe. Er brauchte nur noch einen Schritt zu tun, nur noch eine kleine, winzige, letzte Stufe zu überwinden, ehe er sich in sein rollendes Penthouse zurückziehen und weiter von Eva Marie Saint träumen konnte.
    »Gestatten Sie«, sagte er höflich.
    »Ich komme schon«, verkündete die Frau mit einer dröhnenden Baritonstimme, die den kampferprobten, zähen ehemaligen Kriegsberichterstatter auf geradezu beängstigende Art und Weise einschüchterte.
    »Wenn Sie mich nur kurz vorbeilassen würden …«, sagte er. Aber das stand außer Frage. Die Frau war nicht annähernd so groß wie Tom, dafür aber – taktvoll ausgedrückt – deutlich breiter.
    »Hi, Regina«, rief die Frau hinunter.
    »Hi, Agnes Joe«, erwiderte Regina.
    Da keiner von beiden bereit war, zurückzuweichen, vereinigten Tom und Agnes Joe sich in einem seltsam unbeholfenen Tango, einen Fuß vor, einen zurück. Auf der steilen Treppe rief dieses Tänzchen bei Tom allerdings einen Anflug von Übelkeit hervor.
    Schließlich meinte er: »Agnes Joe, ich bin Tom Langdon. Ich habe Abteil D. Wenn Sie nur für einen winzigen Moment zurücktreten könn …«
    Er schaffte es nicht, den Satz zu beenden, denn statt seiner Bitte nachzukommen und ihm Platz zu machen, versetzte Agnes Joe ihm einen leichten Stoß. Genau genommen war es ein massiger Unterarm, der gegen die rechte Seite seines Kopfes geschmettert wurde, wodurch Tom, bereits aus dem Gleichgewicht geraten, die Treppe hinunterstolperte und rücklings auf dem Boden des Waggons landete.
    Agnes Joe wuchtete ihre Körpermassen die Treppe hinunter und war immerhin höflich genug, über Toms lang hingestreckten Körper hinwegzusteigen. Tom hatte seine Zweifel, dass Mark Twain seinerzeit die transamerikanische Eisenbahnfahrt auf ähnliche Weise begonnen hatte. Agnes Joe ging zu Regina, die damit beschäftigt war, einigen anderen Leuten beim Einsteigen behilflich zu sein, und die glücklicherweise nichts vom Geschehen mitbekommen hatte, wofür Tom überaus dankbar war. Immerhin hatte ihn soeben eine ältere Dame knallhart auf die Bretter geschickt.
    »Das ist für dich, Schätzchen. Vielen Dank, dass du mein Gepäck versorgt hast.« Agnes Joe drückte Regina einen Schein in die Hand.
    Tom rappelte sich auf, funkelte die ältere Frau wütend an und ging ebenfalls zu Regina.
    »Ich kümmere mich um Ihr Gepäck, Mr Langdon. Stellen Sie es ruhig da drüben hin, bis ich die Fahrkarten der anderen Passagiere kontrolliert habe.«
    »Vielen Dank. Und sagen Sie Tom zu mir.« Er reichte Regina eine Hand voll Dollar. Sie bedankte sich mit einem reizenden Lächeln. Tom beobachtete Agnes Joe, die sich mühsam wieder die Treppe hinaufwuchtete.
    »Arbeiten Sie schon lange in diesem Zug?«, fragte er Regina.
    »Vier Jahre.«
    »Das ist ja eine halbe Ewigkeit.«
    »Aber nein. Ein paar Kollegen sind zwanzig Jahre mit dem Cap gefahren.«
    Tom drehte sich zu Agnes Joe um, die immer noch auf derselben Stufe stand. Ihre Beine bewegten sich, aber sie schien nicht an Höhe zu gewinnen. Es war faszinierend, ihr zuzuschauen. Irgendwie erinnerte ihre Körpermasse an einen langsam fließenden Lavasee.
    »Offensichtlich kennen Sie Agnes Joe.«
    »Ja, klar. Soviel ich weiß, reist sie schon seit ungefähr zehn Jahren mit diesem Zug.«
    »Zehn Jahre! Dann muss sie diese Strecke geradezu lieben.«
    Regina lachte. »Ich glaube, sie ist unterwegs, um ihre Familie zu besuchen. Agnes Joe ist nett.«
    Tom rieb sich die Seite seines Kopfes, wo die nette Agnes Joe ihn voll erwischt hatte. »Fährt sie auch in diesem Schlafwagen?«
    »Ja, gleich neben Ihnen.«
    Freude, schöner Götterfunken, dachte Tom.
    Er ging zurück zur Treppe, wo Agnes Joe unerklärlicherweise immer noch auf derselben Stufe verharrte.
    »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
    »Alles okay, Süßer. Lassen Sie mir nur ein wenig Zeit.«
    »Vielleicht sollte ich mich an Ihnen vorbeischlängeln und Sie von vorn hochziehen.«
    Tom wollte eigentlich nichts anderes, als an ihr vorbeikommen, die Beine
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