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Das Generationenschiff

Das Generationenschiff

Titel: Das Generationenschiff
Autoren: Anne McCaffrey , Elizabeth Moon
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des Spektrums sehen konnten, und führten zu Dienststellen, die diese Rassen wahrscheinlich benötigten. Die Blaue Bucht ging von der Hauptstraße ab und umfaßte sämtliche medizinischen Ausbildungseinrichtungen. Die MedOps befand sich mitten in der Bucht.
    »Ahh … Lunzie.« Derselbe amüsierte, überraschte Tonfall. Lunzie stützte sich auf den Schalter und starrte das Mädchen mit dem glänzenden Haar an, das am Computer saß. »Eine Nachricht, Madame. Wollen Sie einen Ausdruck oder bevorzugen Sie eine Einzelkabine?«
    Die Augen das Mädchens waren braun und wirkten arglos. Lunzie überlegte einen Moment lang. Die Tatsache, daß ihr eine Einzelkabine angeboten wurde, deutete darauf hin, daß eine Audio- oder Videonachricht eingetroffen war und nicht bloß eine Textbotschaft.
    »Eine Einzelkabine«, sagte sie, und das Mädchen deutete auf die Reihe von Zylindern an einer Seite des Saals. Lunzie ging in die erste, schob die durchsichtige Tür zu, drückte die Knöpfe, die sie nach außen hin isolierten, und gab schließlich ihren ID-Code ein. Der Bildschirm blinkte zweimal, wurde hell und zeigte ein Gesicht, das sie kannte, aber seit über vierzig Jahren nicht mehr gesehen hatte.
    »Willkommen, Adeptin Lunzie.« Seine Stimme klang wie immer, tief, beherrscht und fördernd. Seine schwarzen Augen schienen ihr zuzublinzeln; sein vom Alter gezeichnetes Gesicht hatte sich seit ihrem Kennenlernen nicht verändert. War dies eine Aufzeichnung aus der Vergangenheit? Oder lebte er etwa immer noch hier?
    »Ehrwürdiger Meister.« Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen, und senkte den Kopf zu einem förmlichen Gruß.
    »Sie altern gut«, sagte er. Das Blinzeln war jetzt nicht mehr zu übersehen, die Falten um seine Mundwinkel auch nicht. Sein Humor war selten und kostbar wie die Jahrtausende alten Porzellanschalen, aus denen er Tee schlürfte. Es war keine Aufzeichnung. Es konnte keine Aufzeichnung sein, sonst wäre ihm nicht aufgefallen, daß sie nicht gealtert war. Sie atmete noch einmal bewußt durch, beruhigte ihren rasenden Puls und fragte sich, was er gehört hatte, was er wußte.
    »Ehrwürdiger Meister, es ist sehr wichtig …«
    »… daß Sie Dir Training wieder aufnehmen«, sagte er.
    Unterbrechungen waren ebenso selten wie Humor. Zur mentalen Disziplin gehörte eine gewisse Höflichkeit. Man mußte lernen, auf andere zu warten, ohne sie zu drängen oder sich selbst bedrängt zu fühlen. Hatte sich dies, wie der Rest ihrer Welt, in der Zwischenzeit geändert? Eile nie, warte nie, war einer der ersten Merksprüche gewesen, die sie in Erinnerung hatte. Er war ihr immer suspekt geblieben, weil Ärzte nun einmal oft in Situationen kamen, daß sie sich beeilen mußten, um Leben zu retten, oder abwarten mußten, um zu sehen, was geschah. Das Gesicht des Meisters war jetzt ernst, unerschütterlich wie ein Fels, der weder eilt noch wartet, sondern einfach dort existiert, wo er ist.
    »Der Moment ist gekommen«, sagte er. Es war der Anfang eines Sprichworts, das sie nicht fortführen konnten, denn er sagte gleich darauf: »Im vierten Geschoß. Beginne mit der Reinigung des Steins.«
    Dann wurde der Bildschirm schwarz und ließ sie verwirrt, aber auf eine seltsame Weise beruhigt zurück. Sie ging zurück zum Schalter, um zu sehen, ob sich Liakas Korridorplan in den vergangenen Jahren geändert hatte.
    Er hatte sich tatsächlich geändert. Lunzie erhielt eine Orientierungsdrohne, die immer piepste, wenn sie eine Biegung oder eine Kreuzung erreichte, und sie in einen Multilift hinein und wieder hinaus führte. Einige Dinge sahen vertraut aus: die kühl grünen Türen, die zur Chirurgie führten, die roten Streifen, die vor einem Quarantänebereich warnten. Noch immer streiften kleine Gruppen weiß- oder grüngewandeter Ärzte durch die Korridore und sprachen durcheinander. Lunzie sah ihnen hinterher und fragte sich, ob sie sich unter ihren Kollegen je wieder zu Hause fühlen würde. In Nischen in jeder Wand standen Terminals zum Zugriff auf die medizinischen Datenbanken. Lunzie war versucht nachzusehen, ob die Daten über die Klonkolonie wirklich gelöscht worden waren, ließ es dann aber. Später, wenn ihr wohler war, hatte sie noch genug Zeit dafür.
    Vierter Stock. Wie immer war sie etwas außer Atem, als sie den letzten Multilift verließ, und stand unversehens vor einer einfachen Holztür aus breiten, rotgelben Brettern, die von Pflöcken aus einem leichteren Holz zusammengehalten wurden. Das Holz glänzte und war so
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