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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus
Autoren: Isabel Allende
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Stil, der von pestkrankem Efeu
überwucherten Fassade. Der Garten war eine einzige struppige
Wildnis, die meisten Fensterläden hingen schief in den Angeln.
Die Einfahrt stand wie immer offen. Ich läutete. Nach einiger
Zeit hörte ich
Alpargatas näher kommen, ein unbekanntes
Dienstmädchen öffnete mir die Tür. Sie sah mich an, ohne mich
zu erkennen, und ich spürte in der Nase den wunderbaren Holzund Modergeruch des Hauses, in dem ich geboren worden war.
Ich lief in die Bibliothek, weil ich ahnte, daß der Großvater da
auf mich warten würde, wo er immer saß, und da saß er auch,
zusammengefallen in seinem Sessel. Ich war überrascht, ihn so
greisenhaft, so winzig und zittrig zu sehen, nur durch seine
weiße Löwenmähne und den silbernen Stock erinnerte er noch
an frühere Zeiten. Eine lange Zeit hielten wir uns umschlungen,
Großvater, Alba, Alba, Großvater flüsternd, wir küßten uns, und
als er meine Hand sah, brach er in Weinen und Verwünschungen
aus und schlug mit dem Stock gegen die Möbel, wie er es früher
immer getan hatte, und ich lachte, weil er doch noch nicht so alt
und kraftlos war, wie es mir anfangs vorgekommen war. Noch
an demselben Tag wollte mein Großvater mit mir außer Landes.
Er hatte Angst um mich. Aber ich erklärte ihm, daß ich nicht
weggehen könne, weil ich fern von Chile wie einer dieser
Bäume sein würde, die zu Weihnachten geschnitten werden,
diese armen Fichten ohne Wurzeln, die eine Zeitlang halten, und
dann sterben sie.
    »Ich bin nicht dumm, Alba«, sagte er und sah mich fest an.
»Der wahre Grund, weshalb du bleiben möchtest, ist Miguel,
stimmt es nicht?«
Ich erschrak. Nie hatte ich zu ihm von Miguel gesprochen.
    »Seit ich ihn kennengelernt habe, weiß ich, daß ich dich nicht
von hier wegbringen kann, Kleines«, sagte er traurig.
»Du hast ihn kennengelernt? Er lebt also, Großvater?« Ich
packte ihn an den Kleidern und schüttelte ihn.
»Vergangene Woche, als wir uns das letzte Mal sahen, war er
noch am Leben«, sagte er.
Er erzählte mir, daß eines Nachts, nach meiner Verhaftung,
Miguel im großen Eckhaus erschienen sei. Beinahe habe ihn vor
Schreck der Schlag getroffen, aber nach einigen Minuten habe
er begriffen, daß sie ein gemeinsames Ziel hatten: mich zu
retten. Danach besuchte ihn Miguel noch oft, er leistete ihm
Gesellschaft, und zusammen überlegten sie, wie sie mich
ausfindig machen könnten. Miguel war es, der die Idee hatte, zu
Tránsito Soto zu gehen, der Großvater wäre nie auf diesen
Gedanken gekommen.
»Glauben Sie mir, Señor. Ich weiß, wer in diesem Land die
Macht hat. Meine Leute haben sich überall eingeschleust. Wenn
es in diesem Augenblick einen Menschen gibt, der Alba helfen
kann, dann ist es Tránsito Soto«, versicherte er.
»Wenn es uns gelingt, sie den Klauen der Geheimpolizei zu
entreißen, mein Lieber, dann muß sie fort von hier. Geht ihr
zusammen. Ich kann euch Passierscheine besorgen, und an Geld
soll es euch nicht fehlen«, bot der Großvater an.
Aber Miguel sah ihn an, als ob er einen schwachsinnigen
Greis vor sich hätte, und setzte ihm auseinander, daß er eine
Aufgabe zu erfüllen habe und nicht einfach auf- und
davongehen könne.
»Ich mußte mich an den Gedanken gewöhnen, daß du trotz
allem hierbleiben wirst«, sagte der Großvater, mich umarmend.
»Und jetzt erzähl mir. Ich will alles wissen, bis ins letzte
Detail.«
Also erzählte ich ihm. Ich sagte ihm, daß sich meine Hand
infiziert hatte und sie mich deshalb in eine Geheimklinik
brachten, in die sie Gefangene schicken, die sie nicht sterben
lassen wollen, weil es nicht in ihrem Interesse liegt. Dort
behandelte mich ein Arzt, groß und elegant aussehend, der mich
ebenso zu hassen schien wie der Oberst Garcia und der sich
weigerte, mir schmerzstillende Mittel zu geben. Jede
Behandlung benutzte er dazu, mir auseinanderzusetzen, wie man
seiner Theorie nach mit dem Kommunismus in Chile und
möglichst in der ganzen Welt fertig werden würde. Aber sonst
ließ er mich in Ruhe. Zum erstenmal seit Wochen hatte ich
saubere Bettücher, ausreichend zu essen und natürliches Licht.
Gepflegt hat mich Rojas, ein Krankenwärter, untersetzt, mit
einem runden Gesicht, der immer in einem schmutzigen
hellblauen Schlafrock herumlief und von großer Güte war. Er
fütterte mir das Essen in den Mund, erzählte mir endlose
Geschichten von uralten Fußballspielen zwischen
Mannschaften, von denen ich nie etwas gehört hatte, und
verschaffte sich
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