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Das Geiseldrama

Das Geiseldrama

Titel: Das Geiseldrama
Autoren: Stefan Wolf
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Gaby? Von Ute. Aha! Sicherlich das
Manuskript (noch nicht gedruckter Text). Hoffentlich wird das was.“
    Ihre Worte strömten wie ein
Wasserfall.
    Was hat sie denn? dachte Gaby.
So ist sie doch sonst nicht. Und diese hektische Röte im Gesicht. Ist ja das
reinste Nervenbündel.
    Elly Roland hatte kehrt gemacht
und strebte durch den düsteren Flur auf eine geöffnete Tür zu. Dahinter war der
Übungsraum, eine Art Saal mit Korkboden und einer Spiegelwand. In der Ecke
stand ein Tisch, auf ihm das Tonbandgerät für die musikalische Berieselung beim
Tanzunterricht. Das Telefon war in Weiß und einem altmodischen Apparat
nachempfunden. Daneben lag Ellys Terminkalender. Einer großen Tasse entstieg
Dampf. Sie enthielt schwarzen Kaffee. Der Apfel, der wie gemalt aussah, war
angebissen. Ein bescheidenes Mittagsmahl. Und so sah Elly auch aus.
    Sie mochte Mitte Dreißig sein
und bestand aus reichlich viel Sehnen. Für Tarzans Geschmack war sie keine
Offenbarung an Weiblichkeit, auch ihr Gesicht ziemlich herb, was durch die
straff zurückgebürsteten Haare noch unterstrichen wurde. Aber sie hatte
warmherzige Augen und ein freundliches Lächeln. Als Lehrerin war sie pfundig.
    „Also, wie geht’s Ute?“ rief
sie.
    „Besser“, sagte Gaby. „Aber sie
langweilt sich.“
    „Glaube ich.“
    Elly warf das Kuvert auf den
Tisch, biß in ihren Apfel, rückte das Telefon gerade, lief einmal um den Tisch
herum und trommelte mit den Fingerkuppen auf den Oberschenkel ihrer sportlichen
Satinhose. Die Hose war weinrot.
    „Tja, Kinder, so ist das!“
    Sie schielte zum Telefon, rieb
sich über die ungeschminkten Lippen und schien mit ihren Gedanken weit weg.
    Allmächtiger! dachte Tarzan.
Ist die immer so fummelig? Wie eine Tüte Flöhe.
    Klößchen trat einen Schritt
vor.
    „Frau Roland, erteilen Sie auch
Männern Unterricht in Step-Tanz?“
    „Wie? Natürlich. In meinen
Kursen sind auch Männer.“
    „Auch Jugendliche? So in meinem
Alter.“
    Zweifelnd sah sie ihn an.
„Willst du’s lernen?“
    „Lust hätte ich. Braucht man
Begabung dazu?“
    Bevor sie antworten konnte,
schrillte das Telefon. Elly meldete sich. Ihre Augen wurden weit.
    „Ja, Erwin. Ja?“
    Aus dem Hörer quakte eine
Stimme.
    Gaby drehte sich um und sah
Tarzan an. Bestürzung auf dem hübschen Gesicht. Karl riß seine Brille von der
Nase und begann wie wild die Gläser zu polieren. Klößchens Mund stand offen. Er
hatte eine Bemerkung auf der Zunge. Aber Tarzan puffte ihn ins Kreuz, und
Klößchen verschluckte sich.
    „Ich... soll zu dir kommen,
Erwin.“ Elly redete ungeniert, als wäre sie allein. Daß die vier von ihrem
Bruder wußten, kam ihr nicht in den Sinn.
    „Hotel Blauer Turm in der
Mönchsgasse“, wiederholte sie. „Gut, ja, ich komme sofort. Bis gleich. O Gott!
O Gott!“
    Sie legte auf. Ihre etwas
hohlen Wangen wechselten die Farbe.
    „Tut mir leid, ich muß weg“,
sagte sie und blickte dabei zu der Spiegelwand. Ihr eigener Anblick mißfiel
ihr. Sie fuhr sich mit beiden Händen über die Haare und klatschte dann die
Wangen, wohl um Frische zu erzeugen, die nicht aus dem Farbtopf kommt.
    „Braucht man nun Begabung?“
fragte Klößchen.
    „Wie?“
    „Begabung zum Step-Tanz.“
    „Eigentlich kann’s jeder
lernen.“
    Ihr Blick ging durch die vier
hindurch, als wären sie aus Glas.
    O Mann! dachte Tarzan. Ich
wollte sie über ihren Bruder aushorchen — und jetzt das! Erwin! Welcher wohl?
Natürlich das Brüderchen. Müßte schon ein irrer Zufall sein, wenn ihr ein
anderer Erwin die Augen so schreckhaft weitet. Überhaupt — ihre Nervosität
spricht nicht nur Bände! Das ist schon eine ganze Enzyklopädie (Darstellung
des gesamten Wissens). Jetzt haben wir unsere heiße Spur. Sie führt zur
Mönchsgasse.
    „Dann auf Wiedersehen, Frau
Roland“, sagte er. „Willi überlegt sich noch, ob er eine Laufbahn als Go-Go-Boy
einschlägt.“
    Elly lächelte.
    Als sich die Eingangstür hinter
der TKKG-Bande schloß, fragte Klößchen: „Go-Go-Boy — was ist’n das?“
    „Eigentlich gibt’s den noch gar
nicht“, erklärte Karl. „Nur Go-Go-Girls. Tanzmädchen sind das, die bei
Sportveranstaltungen und in Diskotheken auftreten und die Spieler bzw. die
Gäste anfeuern.“
    „Hm. Und du meinst, das wäre
was für mich?“
    Tarzan schlug mit der Faust an
die Mauer. „Bei allen Wanzen und Lurchen! Hast du jetzt keine anderen Sorgen?
Elly ist auf dem Weg zu ihrem Bruder. Zu Erwin, der im Blauen Turm in der
Mönchsgasse auf sie wartet. Und du
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