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Das Geiseldrama

Das Geiseldrama

Titel: Das Geiseldrama
Autoren: Stefan Wolf
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sabbelst vom Lämmerhüpfen!“
    „Ich dachte auch, mich wirft’s
aus den Seidensocken“, nickte Gaby. „Ob’s wirklich der Erwin ist?“
    „Ich wette! Man merkt doch, wie
die Frau unter Spannung steht.“
    „100 000 Volt“, nickte Karl.
„Und nun?“
    „Zum Blauen Turm!“ bestimmte
Tarzan. „Lage peilen. Wenn’s der Terrorist ist, kaschen wir ihn. Das ist unsere
Pflicht als Staatsbürger. Diese Pflicht haben wir schon jetzt — nicht erst,
wenn wir volljährig sind.“
    „Immer nur Pflichten“, maulte
Klößchen. „Ich will Rechte!“
    „Hast du ja“, grinste Tarzan.
„Du hast das Recht, Eintänzer zu werden, Go-Go-Boy oder Tanzbär. Aber jetzt
fahren wir zur Mönchsgasse.“
    Es war nicht weit. Die
Mittagszeit hatte den Verkehr ausgedünnt. Sonne funkelte auf den Dächern der
Innenstadt. Die TKKG-Bande kam am Bahnhof vorbei. Dort flaute der Betrieb erst
um Mitternacht ab. Die Mönchsgasse lag in einem stillen Viertel und war
schattig. Zwei Häuserzeilen krümmten sich am Kopfsteinpflaster entlang. Die
Mauern sahen schimmlig aus. Es war Einbahnstraße, das Hotel ein vierstöckiger
Altbau mit einer Bierreklame über dem Eingang.
    Auf einer Seite standen Autos,
auf der anderen war Parkverbot. Ellys Kleinmobil war nicht zu sehen.
    „Wir sind die ersten“, stellte
Tarzan fest. „Wahrscheinlich hat sie sich noch umgezogen und geschminkt. Das
kann lange dauern.“
    Gaby sah ihn an. „Aber daß wir
schön sind, wollt ihr doch? Oder?“
    „Klar. Es ist ja keine Kritik.
Ich stell’s nur fest. Warum fühlst du dich angesprochen? Du bist doch im Nu
fertig und immer wundersch... äh... sehr... ansehnlich.“
    Das Kompliment versöhnte. Sie
lächelte wie Honig.
    Karl und Klößchen grinsten. Das
empfand er als Herausforderung.
    Eigentlich blöd, dachte er, daß
ich mich immer so winde. Wie die Katze um den heißen Brei. Was wahr ist, ist
wahr. Und ansehnlich ist nicht wunderschön.
    Also ruckte er sich innerlich,
war er doch Staatsbürger mit allen Pflichten, was auch privat Mut verlangte. Er
sagte:
    „Ich habe gesagt: ansehnlich.
Aber das, Pfote, trifft es nicht. Äh... wunderschön wäre das richtige Wort.“
    Fassungslos sah sie ihn an.
    „Du meinst, ich bin...
wunderschön?“
    Er nickte. „Eigentlich meinen
wir das alle. Und dir, zum Henker, kann man das auch sagen. Dich macht das
nicht eingebildet. Andere Mädchen würden vielleicht überschnappen, wenn... Da
kommt sie! Los, in die Einfahrt!“
    Sie schafften es knapp. Gerade
noch rechtzeitig hatte Tarzan bemerkt, wie Ellys Kleinauto um die Ecke eierte:
jenes Vehikel, das sie vorhin auf dem Hinterhof neben den Mülltonnen gesehen
hatten.

    Die Hofeinfahrt, in der sich
die vier versteckten, war dunkel und roch wie ein stillgelegter Kanal. Irgendwo
im Hintergrund keifte eine Frauenstimme. Mit wem sie schimpfte, war nicht
festzustellen, denn man hörte keine Erwiderung.
    Ellys Wagen schnaufte heran und
hielt. Der Motor wurde ausgeschaltet. Der Schlag dröhnte blechern.
    Tarzan linste um die Ecke.
    Elly Roland trug jetzt ein
helles Kostüm. Sie verschwand durch die Hoteltür.
    Gaby, die ihren Kopf sehr dicht
neben seinen schob, fragte: „Und was machen wir jetzt?“
     
    *
     
    Auch Schorbach wartete. Er
stand am Eingang des Bahnhofsgebäudes. Menschen fluteten an ihm vorbei. Er
lehnte an der Außenseite der Mauer, hatte den Kopf gedreht und blickte an der
Kante vorbei. Neugier hatte ihn hierher getrieben. Er wollte sehen, was
geschah.
    Passieren konnte ihm nichts.
Die Reihe der Schließfächer war lang. Nr. 811 lag ganz hinten. Außerdem wurde
er von der Mauer geschützt.
    Der Penner suchte noch. Mit
kurzsichtigen Säuferaugen schien er jede Nummer zu prüfen. Endlich stand er vor
dem richtigen Fach und fuhrwerkte mit dem Schlüssel am Schloß herum.
    Schorbach fühlte, wie Spannung
seine Füße verkrampfte. Zehen krallten sich in die Socken. Er hielt den Atem
an.
    Der Penner hatte
aufgeschlossen. Jetzt öffnete er das Fach. Die Tür nahm Schorbach die Sicht.
Außerdem war die Entfernung zu groß. Nichts geschah.
    Schorbach sah, wie der
Fuselbruder hineinglotzte, den Kopf schüttelte, irgendwas mit der Hand
berührte, dann die Tür zuklappte und sich achselzuckend abwandte. Während des
Rückweges stärkte er sich nochmal aus der Flasche. Seinen Auftraggeber gewahrte
er erst, als Schorbach ihm den Weg vertrat.
    „Da ist kein Koffer nicht drin,
Meister“, brabbelte der Penner. „Nur so’n komisches Zeug im Zeitungspapier.
Sieht wie Abfall aus.
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