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Das Geheimnis von Sittaford

Das Geheimnis von Sittaford

Titel: Das Geheimnis von Sittaford
Autoren: Agatha Christie
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ihn dann zum Dank niederschlug?»
    «Ich will nicht bestreiten, dass das möglich ist, Charles. Aber sieht es Captain Trevelyan ähnlich? Er würde einem Bettler vielleicht einen Shilling gegeben, ihn jedoch nicht mit besten, wasserdichten Winterstiefeln beglückt haben.»
    «Also, ich gebe es auf», sagte Charles verzweifelt.
    «Ich gebe es nicht auf. Ich werde der Sache auf den Grund gehen.»
    Infolgedessen hatte sie sich nach Exhampton begeben, wo sie zunächst Mrs Belling besuchte, die sie mit stürmischer Begeisterung willkommen hieß.
    «Und Ihr junger Mann immer noch im Gefängnis, Miss! Ach Gott, ach Gott! Es ist eine Schande, denn niemand von uns glaubt an seine Schuld. Also, mein Brief ist angekommen? Ja? Evans wollen Sie gern sehen? Nun, da haben Sie es nicht weit. Hier nach rechts, und dann um die nächste Ecke. Fore Street 85. Ich würde Sie gern hinführen, doch ich kann meinen Posten hier nicht verlassen. Unmöglich, fehlzugehen!»
    Emily ging auch nicht fehl, jedoch traf sie nur Mrs Evans zu Hause an.
    «Ich habe von Mrs Belling gehört, dass Ihr Mann ein Paar Stiefel seines toten Herrn vermisst», begann Miss Trefusis, als sie der jungen Frau in der blitzsauberen Küche gegenübersaß. «Irrt sich Ihr Mann auch nicht?»
    «Nein, nein. Es sind die Stiefel, die der Captain bei strenger Kälte am liebsten trug – festes Leder, doppelte Sohlen und so groß, dass der Fuß auch mit zwei Paar Wollstrümpfen Platz darin hatte.»
    «Sind sie vielleicht beim Schuster?»
    «Aber Miss! Das würde Evans doch wissen», sagte Rebekka vorwurfsvoll. «Ja, über diese Stiefel haben wir uns schon viel den Kopf zerbrochen… Gibt es übrigens was Neues?»
    «Ein oder zwei nebensächliche Punkte hat die Polizei inzwischen herausgefunden», wehrte Emily kühl ab.
    «Ich habe es mir schon gedacht, weil der Inspektor aus Exeter heute wieder hier war.»
    «Inspektor Narracott? Ist er mit dem Zug gekommen?»
    «Nein, Miss. Im Auto. Hat in den ‹Three Crowns› nach dem Gepäck des jungen Herrn gefragt.»
    «Von welchem jungen Herrn?»
    «Den Sie immer bei sich haben, Miss.»
    Emily stutzte.
    «Den Hausdiener hat er ausgehorcht», berichtete Mrs Evans weiter, «und Tom, der nicht auf den Kopf gefallen ist, erinnerte sich, dass zwei Zettel an dem Koffer klebten, einer mit der Aufschrift Exeter und der andere mit der Aufschrift Exhampton.»
    Ein plötzliches Lächeln erhellte Emily Trefusis’ ernstes Gesicht bei der lustigen Vorstellung, Charles Enderby könnte das Verbrechen begangen haben, nur um sich selbst einen interessanten Stoff zu beschaffen. Aber Inspektor Narracott? Alle Achtung vor seiner Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit, die keinen überging, wie entfernt auch seine Verbindung zu dem Verbrechen sein mochte! Gleich nach ihrer Unterredung musste der tüchtige Mann von Exeter aufgebrochen sein – ein schneller Wagen konnte den Zug überholen, ganz abgesehen davon, dass sie auch noch in Exeter zu Mittag gegessen hatte.
    «Und wohin ging der Inspektor nachher?», fragte sie.
    «Nach Sittaford fuhr er, Miss. Tom hörte, wie er dem Chauffeur die Anweisung gab.»
    «Nach Sittaford House?»
    Brian Pearson war – das wusste sie – noch immer Gast bei den Willetts.
    «Nein, Miss, zu Mr Duke.»
    Wieder dieser Duke! Emily fühlte eine mit Verwirrung gemischte Reizbarkeit in sich aufsteigen. Duke – der Unbekannte, der auf alle Welt den gleichen Eindruck machte: ein normaler, rechtschaffener, angenehmer Mann.
    «Ich werde ihn mir mal mit eigenen Augen ansehen», schwor Emily sich im Stillen. «Sobald ich wieder in Sittaford bin, gehe ich schnurstracks zu ihm.»
    Dann hatte sie Mrs Evans für die Auskunft gedankt, hierauf Mr Kirkwood aufgesucht, um ihm den Schlüssel abzuschmeicheln, und stand nun in der Diele des kleinen Hauses an der Stadtgrenze, grübelnd, wie und was sie in der dortigen Atmosphäre zu fühlen erwartet hatte.
    Langsam stieg sie die Treppe hinauf und betrat das erste Zimmer – offenbar das Schlafzimmer des Ermordeten. Wie Mr Kirkwood vorhergesagt hatte, enthielt es nichts mehr von Trevelyans persönlichem Hab und Gut. Die Bettdecken sauber und gestapelt zusammengefaltet, die Schubladen leer. Und das Schuhbord zeigte eine Reihe nackter Bretter.
    Emily seufzte und ging wieder treppab. Hier war das Wohnzimmer, wo der tote Mann gelegen hatte, während der Schnee durch die offene Fenstertür wirbelte. Wessen Hand hatte Captain Trevelyan niedergeschlagen und warum? War er um fünf Uhr fünfundzwanzig
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