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Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes
Autoren: Anthony Horowitz
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Holmes von Wimbledon nach Bermondsey, von Hamworth Hill nach Holloway und Whitechapel zu folgen, immer einen Schritt hinter ihm (auch im übertragenen Sinne), aber doch nahe genug, um das Privileg zu genießen, diesen einzigartigen Verstand bei der Arbeit zu sehen. Nun, da die letzte Seite sich nähert, wird mir wieder bewusst, wo ich mich hier befinde, in diesem Zimmer mit der Schattenblume auf dem Fensterbrett und der Heizung, die immer ein bisschen zu heiß ist. Meine Hand schmerzt, und meine Erinnerungen sind mit der Tinte ins Papier gesunken. Zum ersten Mal wünsche ich mir, dass es noch mehr zu erzählen gäbe; denn wenn ich die Geschichte beendet habe, werde ich wieder allein sein.
    Ich darf mich gewiss nicht beschweren. Es geht mir gut hier. Meine Töchter besuchen mich gelegentlich und bringen auch meine Enkel mit. Einer von ihnen heißt Sherlock. Seine Mutter glaubte wohl, sie sollte meinem Freund ein Denkmal setzen, aber der Junge benutzt den Namen fast nie. Nun, am Sonntag werden sie mich besuchen, und dann kann ich ihnen das Manuskript geben – mit den entsprechenden Anweisungen für seine Aufbewahrung –, und dann wird meine Arbeit getan sein. Aber vielleicht sollte ich den Rat der Schwester annehmen, diemich heute Morgen versorgt hat, und alles noch einmal gründlich durchlesen.
    Sie war äußerst munter. »Na, jetzt sind Sie fast fertig, nicht wahr, Dr. Watson? Ich bin sicher, es gibt noch ein paar lose Enden, aber die haben Sie bestimmt fest im Griff. Gehen Sie alles noch einmal durch, und dann geben Sie uns die Geschichte zum Lesen. Ich habe den anderen Mädchen davon erzählt, und wir können es kaum erwarten!«
    Es gibt tatsächlich noch ein paar Kleinigkeiten, die ich hinzufügen muss.
    Charles Fitzsimmons – ich weigere mich, den Titel Reverend zu gebrauchen – hatte durchaus recht mit dem, was er uns an seinem letzten Abend im House of Silk sagte. Er wurde nie vor Gericht gestellt. Aber er wurde auch nicht aus dem Gefängnis entlassen, wie er so zuversichtlich gehofft hatte. Wie es scheint, hat es noch während der Untersuchungshaft einen Unfall gegeben. Er fiel eine Treppe hinunter und erlitt einen tödlichen Schädelbasisbruch. Ist er gestoßen worden? Es erscheint nicht ganz unwahrscheinlich, denn er hatte sich ja gerühmt, einige höchst unangenehme Dinge über zahlreiche wichtige Persönlichkeiten zu wissen. Und wenn ich seine Andeutungen nicht gänzlich missverstanden habe, hatte er ja sogar behauptet, ein Mitglied des Königshauses gewähre ihm Protektion. Eine absurde Behauptung, ich weiß, aber andererseits erinnere ich mich noch allzu gut an Mycrofts unfreiwilligen Besuch in Whitehall. Das, was er darüber sagte, und vor allem sein Benehmen deuten darauf hin, dass er stark unter Druck stand, und … Aber nein, ich will über diese Möglichkeit nicht einmal nachdenken. Fitzsimmons hat gelogen. Er hat nur versucht, seine eigene Bedeutung aufzublähen, ehe er verhaftet und abtransportiert wurde. Und damit Schluss.
    Andererseits gab es Leute in der Regierung, die wussten, waser getan hatte. Aus Furcht vor einem Skandal wollten sie offenbar nicht, dass es öffentlich diskutiert wurde. Vielleicht gab es ja tatsächlich diese photographischen Beweise. Jedenfalls gab es in den folgenden Wochen und Monaten eine ganz Serie von Rücktritten auf allerhöchster Ebene, über die das Land höchst erstaunt und schockiert war. Trotzdem hoffe ich sehr, dass Fitzsimmons keinem Mordanschlag zum Opfer gefallen ist. Er war ohne Zweifel ein Monster, aber kein Land darf seine Rechtsstaatlichkeit um der Zweckdienlichkeit willen opfern. Das wird mir gerade jetzt immer klarer, wo wir im Krieg stehen. Vielleicht war sein Tod ja wirklich ein Zufall, wenn auch ein sehr glücklicher für alle Betroffenen.
    Mrs. Fitzsimmons verschwand von der Bildfläche. Lestrade erzählte mir, dass sie nach dem Tod ihres Mannes dem Wahnsinn verfiel und in eine Anstalt für Geisteskranke im Norden des Landes verlegt wurde. Auch das war in vielfacher Hinsicht ein glücklicher Ausgang, denn von da an konnte sie sagen, was sie wollte, es würde ihr doch niemand glauben. Soviel ich weiß, ist sie bis zum heutigen Tag in der Irrenanstalt.
    Edmund Carstairs wurde strafrechtlich nicht verfolgt. Er hat das Land kurz nach unserem letzten Zusammentreffen verlassen, gemeinsam mit seiner Schwester, die sich zwar wieder erholte, aber ihr Leben lang schwer geschädigt blieb. Die Firma Carstairs & Finch stellte ihre Tätigkeit ein. Catherine
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