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Das Geheimnis des toten Fischers

Das Geheimnis des toten Fischers

Titel: Das Geheimnis des toten Fischers
Autoren: Marcia Muller
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die ich mir gestern hatte ansehen wollen, waren alle
schon vergeben gewesen, als ich dort ankam.
    Ich langte nach dem Hörer des Telephons
und rief meinen Auftragsdienst an. Ich hatte einen Anruf meiner Freundin Linnea
Carraway erhalten, die seit neuestem bei einer kleinen Fernsehstation in
Seattle als Moderatorin arbeitete; sie hatte nur angerufen, um mit mir zu ratschen.
Paula Mercer, meine künstlerisch begabte Freundin vom de Young Museum, hatte
von einer Wohnung gehört, die passend wäre für mich, und bat mich,
zurückzurufen. Und eine meiner Schwestern hatte angerufen. Sie hatte dem
Mädchen vom Auftragsdienst nur gesagt: ›Ich bin Sharons Schwester‹, daher wußte
ich nicht, welche von den beiden. Und ich dachte nicht daran, mein Geld für
Ferngespräche auszugeben, nur um herauszufinden, welche meiner Schwestern mich
zu sprechen wünschte. Von Greg kein Lebenszeichen.
    Warum auch? Die Sache war gelaufen.
Nach eineinhalb Jahren hatten Lieutenant Gregory Marcus und ich die Beziehung
abgebrochen. Wir hatten schöne Zeiten erlebt — sogar wunderbare Zeiten aber
unsere ausgeprägten Charaktere hatten die Bindung immer wieder in Machtkämpfe
ausarten lassen. Ich war froh darüber, daß ich es hinter mir hatte; es war eine
Erleichterung, endlich einmal ohne diese fortwährenden, kräfteverzehrenden
Auseinandersetzungen leben zu können.
    Dennoch — man gewöhnt sich nach so
langer Zeit an den täglichen Anruf. Man gewöhnt sich an das gemeinsame Lachen
und an die schönen Augenblicke der Liebe. Daß keine Nachricht von Greg vorlag,
erfüllte mich wider Willen mit Traurigkeit. Ich mußte etwas unternehmen, mußte
raus hier, und zwar gleich.
    Ich stand auf und nahm meine
Reisetasche aus dem Schrank. Watney beäugte mich argwöhnisch.
    »Ja, ich laß dich schon wieder allein«,
gestand ich ihm. »Tim wird dich füttern.«
    Watney drehte mir den Rücken zu und
putzte sich das schwarzweiße Fell.
    Das war auch eines der Probleme, das
mit einer neuen Wohnung auf mich zukam, dachte ich als ich Jeans und Pullover
und einen Rock in die Tasche warf. Wo würde ich einen Hausmeister finden, der
sich so liebevoll um meinen Kater kümmern würde? Vielleicht sollte ich doch...
    »Genug, Sharon!« sagte ich laut zu mir
selbst. »Du hast einen Fall zu bearbeiten. Das Problem mit der Wohnung mußt du
später lösen.«
     
    Während ich über die
Junipero-Serra-Schnellstraße in Richtung San Jose fuhr, entschloß ich mich,
zunächst an der Salmon Bay haltzumachen und mir in Port San Marco in einem
Motel ein Zimmer zu nehmen. Ich erinnerte mich, dort einmal als Kind mit Linnea
und ihren Eltern die Sommerferien verbracht zu haben. Die Erinnerung schaukelte
mir Bilder von Plankenwegen, Fahrten in einem Vergnügungspark, von Zuckerwatte
und Hot dogs vor. Und der Gedanke daran erinnerte mich, daß seit dem
Mittagessen sehr viel Zeit vergangen war. Ich kramte in meiner Tasche nach
einem der Schokoladenriegel für Notzeiten und wickelte ihn mühsam mit einer
Hand aus dem Papier.
    Port San Marco war, wie ich mich
entsann, früher einmal ein bedeutender Fischerhafen gewesen. Dann hielt die
Automatisierung auch Einzug in die fischverarbeitende Industrie, wie Liz Schaff
erzählt hatte, und Großunternehmen aus dem Norden und Süden verdrängten die
kleinen Betriebe vom Markt. Im Gegensatz zu Dörfern wie Salmon Bay war es den
größeren Orten gelungen, den Anschluß an die neue Zeit zu finden, und jetzt
waren die umliegenden Hügel westlich des Hafens von sogenannten rauchlosen
Industrien und teuren Wohntrakten geprägt, während der Hafen selbst als
Attraktion für den Tourismus diente: Promenaden erstreckten sich rings um den
Jachthafen, Restaurants und Hotels reihten sich eins an das andere den Strand
entlang. Ich hatte irgendwo gelesen, daß man sogar daran dachte, auf dem
Gelände des ehemaligen Vergnügungsparks ein Zentrum für die darstellenden
Künste zu errichten.
    Ich hatte den Ort geliebt, so, wie er
in meiner Kinderzeit gewesen war, mit der Achterbahn, den Spielhallen, den
Hot-dog-Buden und den Bierzelten. Ich hatte den einfachen Fischerhafen
vergangener Jahre gemocht und war daher sicher, daß ich das neue Port San Marco
nicht in mein Herz würde schließen können. Dennoch entschied ich mich, mir ein
Zimmer in einem Motel am Strand zu nehmen, in der Hoffnung, vielleicht noch ein
wenig von der Atmosphäre vergangener Zeiten zu erleben. Snelling bezahlte meine
Spesen, und er konnte es sich leisten.
    Die Schnellstraße schlug
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