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Das Geheimnis der Wellen

Das Geheimnis der Wellen

Titel: Das Geheimnis der Wellen
Autoren: Nora Roberts
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seinen alten Glanz zurückgeben.
    Aber im Moment war er genauso kalt und leer wie Eli.
    Er ging wieder nach unten und stellte weitere Veränderungen fest.
    Was früher ein großes Schlafzimmer im zweiten Stock gewesen war, war zu einem gemütlichen Arbeitszimmer ge worden, mit einem Computer auf dem antiken Schreibtisch, einem Lesesessel und einem Sofa, das zum Nachmittagsnickerchen einlud. Er entdeckte weitere Kunstwerke seiner Großmutter: rosa Pfingstrosen in einer kobaltblauen Vase, Nebelschwaden über windgepeitschten Dünen.
    Und dann natürlich die Aussicht, die sich ihm darbot wie ein festliches Bankett einem halb Verhungerten.
    Er ging zum Schreibtisch und zog die Haftnotiz vom Bildschirm.
    Hester sagt:
    »Setz dich hin und schreib, worauf wartest du noch?«
    Abra
    Stirnrunzelnd starrte er auf die Notiz und wusste nicht recht, was er davon halten sollte, dass seine Großmutter ihm über ihre Nachbarin Befehle erteilte. Er sah sich im Raum um, ließ die Fenster, das kleine Bad, den Schrank auf sich wirken, der sowohl Büromaterial als auch Bettwäsche, Decken und Kissen enthielt. Anscheinend konnte man das Sofa ausziehen.
    Wie praktisch. Das Haus beherbergte zwar mindestens ein Dutzend Zimmer, wie viele genau, wusste er nicht mehr. Doch wozu Platz verschwenden, wenn man ihn mehrfach nutzen kann?
    Kopfschüttelnd warf er einen Blick auf den kleinen Kühlschrank mit der Glastür, der mit Mineralwasser und Mountain-Dew-Limonade gefüllt war, für die er seit Studientagen eine Schwäche hatte.
    Setz dich hin und schreib.
    Kein schlechter Ort zum Schreiben, dachte er, und die Vorstellung, an seinem Roman weiterzuarbeiten, war deutlich verlockender als die, seine Koffer auszupacken.
    »Gut«, sagte er. »Von mir aus.«
    Er ging in sein Zimmer, holte sein Notebook, schob Bildschirm und Tastatur ganz nach links, um Platz für sein eigenes Gerät zu machen. Und da sie nun mal vorrätig war, nahm er sich eine gekühlte Flasche Mountain Dew.
    »Gut«, wiederholte er. »Wo waren wir stehen geblieben?«
    Nach einem letzten Blick aus dem Fenster vertiefte er sich in seinen Text.
    Und entfloh der Realität.
    Seit dem College hatte er hobbymäßig geschrieben – es machte ihm einfach Spaß. Als er eine Handvoll Kurzgeschichten verkauft hatte, erfüllte ihn das durchaus mit Stolz.
    In den letzten anderthalb Jahren, in denen ihm sein Leben weitgehend entglitten war, hatte er gemerkt, dass das Schreiben ihm mehr half als jede Sitzung beim Psychologen.
    Damit konnte er in eine Welt entfliehen, die er selbst geschaffen hatte und bis zu einem gewissen Grad kontrollieren konnte. Und fühlte sich seltsamerweise mehr bei sich als im wirklichen Leben.
    Er schrieb über Dinge, die er kannte – zumindest im weitesten Sinne. In seinen Kurzgeschichten und diesem ersten Roman konnte er mit dem Recht spielen, es je nach Romanfigur manipulieren. Er konnte Konflikte und Lösungen auf dem schmalen Grat zwischen Recht und Gerechtigkeit ersinnen.
    Er war Anwalt geworden, weil ihn die Rechtsprechung trotz ihrer Schwächen, ihrer Komplexität und ihres Interpretationsspielraums faszinierte. Und weil das Familien unternehmen Landon Whiskey nicht so gut zu ihm passte wie zu seinem Vater, seiner Schwester oder seinem Schwager.
    Er hatte sich fürs Strafrecht entschieden und sein Ziel, Anwalt zu werden, hartnäckig verfolgt. Doch jetzt, wo sich das Recht gegen ihn verschworen zu haben schien, schrieb er, um sich lebendig zu fühlen und sich wieder in Erinnerung zu rufen, dass die Wahrheit manchmal triumphiert und die Gerechtigkeit obsiegt.
    Als er wieder aus seiner Welt auftauchte, dämmerte es bereits, und das Meer verblasste. Erstaunt stellte er fest, dass es schon nach drei war. Er hatte fast vier Stunden durchgeschrieben.
    »Hester hat wie immer recht«, murmelte er.
    Er speicherte seine Arbeit und kontrollierte seine E-Mails. Jede Menge Spam für den Papierkorb.
    Er schrieb eine beinahe identische Nachricht an seine Eltern und seine Schwester: Die Fahrt verlief ohne Probleme, das Haus ist super in Schuss, es tut gut, hier zu sein, sich einzuleben.
    Die wiederkehrenden Albträume, die Depressionen oder die gesprächige Nachbarin, die Omeletts briet, erwähnte er mit keinem Wort.
    Dann schrieb er noch eine Mail an seine Großmutter.
    Ich sitze hier und schreibe wie befohlen. Danke. Das Meer hat eine Oberfläche wie aus gekräuseltem Stahl, die Gischt erinnert an weiße Rennpferde. Schnee liegt in der Luft. Das Haus macht einen guten Eindruck,
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