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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd
Autoren: Ursula Neeb
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nicht schon genug verlustiert, dass Ihr nun auch noch ehrbare Frauen belästigen müsst?«, fauchte ihn Katharina an. Dann trat sie energisch ins Haus und ließ ihn einfach stehen.
    »Nein, es ist nicht so, wie Ihr denkt«, konnte ihr der Fremde gerade noch hinterherrufen, ehe die Tür hinter ihr zufiel.
    Er blieb noch eine geraume Weile draußen auf der Treppe stehen, vollkommen in seine Impressionen versunken – ganz so, als wäre für ihn die Zeit stehengeblieben.
    Als eine junge Hure die Totenwäscherin ins Zimmer der Hurenkönigin führte, blickte ihr die ältere Frau mit verweinten Augen entgegen. Sie saß am Fenster und flickte offenbar gerade Wäsche. Katharina hatte ihre imposante Gestalt bislang nur aus der Ferne gesehen, nun konnte sie zum ersten Mal ihr Antlitz betrachten. Die Vorsteherin der städtischen Hurenzunft hatte ein Gesicht, dem man ansah, dass sie gelebt hatte. Unter einer dicken Schicht Schminke zeichnete sich eine Vielzahl an Falten und Fältchen ab, auch kleinere Narben waren auf der großporigen Haut zu sehen. Dennoch war ihr Gesicht alles andere als unattraktiv. Der große, wohlgeformte Mund mit den purpurrot geschminkten Lippen kündete von Stolz und Lebensfreude, und den ausdrucksvollen, fast schwarzen Augen schien nichts Menschliches fremd zu sein. Katharina war beeindruckt. Trotz ihres verachteten Standes ging von der Hurenkönigin etwas Würdevolles aus. Die Totenmagd grüßte etwas verschüchtert.
    »Jungfer Zimmerin, ich muss mit Euch reden«, erklärte sie ernst.
    »So nehmt doch Platz, Bacherin, und sagt mir, was Ihr auf dem Herzen habt.« Die Hurenkönigin rückte einen weiteren Stuhl ans Fenster und legte fürsorglich noch ein Kissen darauf. »Habt Ihr unsere tote Schwester schon hergerichtet, oder seid Ihr noch nicht dazu gekommen? – Es ist Euch doch sicher ausgerichtet worden?«, erkundigte sich die Gildemeisterin.
    »Doch, doch, und ich habe sie auch schon gewaschen. Deshalb bin ich ja hier«, entgegnete Katharina angespannt.
    »Ach so, Ihr wollt sicher Euren Lohn haben. Wie töricht von mir! Seht es mir nach, Kind, in meinem Alter ist man manchmal etwas schwerfällig. Wartet, ich gebe es Euch gleich.« Die Hurenkönigin nestelte aus dem Ausschnitt ihres Kleides einen kleinen Lederbeutel hervor und entnahm ihm ein paar Münzen.
    »Nein, deswegen bin ich nicht gekommen, das hat noch Zeit«, unterbrach sie Katharina. »Es gibt etwas, das ich Euch unbedingt sagen muss. Mir ist vorhin bei der Totenwäsche etwas aufgefallen am Leichnam Eurer Schwester.«
    »Was denn?« Die Hurenkönigin blickte alarmiert, sie schien das Unheil bereits zu wittern.
    Als Katharina die Würgemale beschrieb, schrie die Zimmerin entsetzt auf. »Heilige Muttergottes! Welcher Drecksack hat dem armen Kind nur sowas angetan?«
    »Und das hier habe ich in ihrer zusammengeballten Hand gefunden.« Die Totenmagd präsentierte der Hurenkönigin den roten Seidenflicken.
    Diese nahm ihn mit bebenden Fingern entgegen, besah ihn von allen Seiten und überlegte angestrengt. »Rote Seide. – Wer, zum Teufel, kann das nur sein? Von unseren Galanen hier im Frauenhaus wüsst’ ich keinen, der ein Wams oder einen Mantel aus roter Seide trägt.« Unverwandt starrte sie auf den Stoff, als könnte er ihr den Träger preisgeben.
    »Ich habe die Obrigkeit noch nicht davon in Kenntnis gesetzt«, fuhr Katharina fort, »sondern wollte es erst Euch persönlich sagen. In einem ähnlichen Fall im letzten Frühjahr bin ich nämlich zur Bürgerpolizei gegangen, aber man hat mir nur ein freches Maul angehängt und mich wieder fortgeschickt. Deswegen bin ich diesmal gar nicht erst hin. Aber ich finde das nicht rechtens, wenn eine erwürgt wird und das dann still und heimlich untern Teppich gekehrt wird, nur weil es ein liederliches Frauenzimmer war. Und so habe ich mir gedacht, ich sage es Euch, und Ihr könnt dann überlegen, was Ihr unternehmen wollt.«
    »Ich danke Euch sehr, Jungfer Bacherin. Eure Mitteilung macht mich tief betroffen. Dass unsere Schwester so jäh von uns gegangen ist, ist beileibe schon schlimm genug für mich und meine Schwestern von der städtischen Hurenschaft.« Die Hurenkönigin rang sichtlich um Fassung. »Aber dass sie nun auch noch so schändlich gemeuchelt wurde, ist einfach unerträglich!« Ihre Stimme bebte, und ihre schwarzen Augen funkelten vor Zorn.
    Eine echte Löwenmutter , dachte Katharina bewundernd.
    »Ihr seid eine ehrliche Haut, Totenwäscherin, und ich bin sehr froh, dass Ihr damit zu
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