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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd
Autoren: Ursula Neeb
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mir gekommen seid. Aber ich könnte förmlich die Wände hochgehen, wenn ich an diese dumpfen Polizeibüttel denke, die wieder einmal auf beiden Augen blind waren, nur weil es um eine von uns ging. Die hätten doch selber sehen müssen, dass das Mädel abgemurkst worden ist! Aber bloß nicht genauer hingucken, wenn eine Hure im Graben liegt. Die ist ersoffen, und damit fertig.«
    Sie schüttelte empört den Kopf. »Wisst Ihr, wäre unsere Schwester im Frauenhaus ermordet worden, dann hätte der Schuft, der sie auf dem Gewissen hat, nichts zu lachen. Die Frauenhäuser des Rates gelten seit alters her als befriedete Orte, und wer darin mit Worten oder Taten frevelt, der verfällt sogar der doppelten Strafe. So schützt der Rat seine freien Töchter, die nicht unerheblich dazu beitragen, die städtische Schatulle zu füllen.«
    Mit erhobener Stimme ereiferte sich die kräftige Frau: »Man braucht uns zwar, aber man verachtet uns auch! Wir haben keine Bürgerrechte, und in der Kirche müssen wir ganz hinten auf der Hurenbank sitzen. Dabei kommen zu uns die hohen Herren und die reichen Pfeffersäcke, Ehrengäste der Stadt vergnügen sich mit ihrer ganzen Gefolgschaft oft tagelang im Frauenhaus. Für ihre Lust sind wir gut genug, ansonsten sind wir für sie der letzte Dreck!«, wetterte die Hurenkönigin grimmig. »Nichts da, meine Herren, so haben wir nicht gewettet! Immerhin ist eine freie Tochter des Rates ermordet worden, und da hat der Magistrat sich gefälligst darum zu kümmern. Ich renn denen im Rathaus jetzt die Tür ein und pack sie bei den Eiern, die feinen Herren. Und wenn’s der Herr Schultheiß persönlich ist, umso besser. Der hat lange genug bei mir gelegen.« Sie erhob sich von ihrem Stuhl und wandte sich an Katharina.
    »Hier, Bacherin, das ist für Eure Mühe«, sagte sie und steckte ihr eine Silbermünze zu.
    »Aber, das ist ja viel zu viel, das kann ich doch nicht annehmen!«, protestierte die Totenfrau.
    »Doch, nehmt das nur. Ihr seid ja schließlich auch nicht auf Rosen gebettet und könnt es bestimmt gut gebrauchen. Kauft Euch was Schönes dafür, mein Kind.«
    »Aber das war doch selbstverständlich … dafür braucht Ihr mich doch nicht zu bezahlen.«
    »Nix da, Ihr nehmt das jetzt und damit Schluss!«, entschied Ursel Zimmer streng. »Ich bezahl Euch ja nicht für Euren Anstand. Der ist sowieso mit Geld nicht aufzuwiegen. – Komm, mein Mädchen, ist schon in Ordnung so«, fügte sie mit gutmütigem Lächeln hinzu, während sie Katharina umarmte und an ihren mächtigen Busen drückte. Katharina, die ihre verstorbene Mutter zuweilen bitter vermisste, genoss die mütterliche Zärtlichkeit und bedankte sich noch einmal höflich für die großzügige Spende.
    Als sie zur Tür ging, gewahrte sie in der Zimmerecke eine Staffelei mit einem Gemälde. Obgleich das Porträt noch unfertig war, konnte sie darauf eindeutig die Züge der Hurenkönigin erkennen, die mit meisterlichen Pinselstrichen skizziert waren.
    »Ach, wie schön! Das seid ja Ihr!«, äußerte sie bewundernd.
    »Ja, das hat ein junger, sehr begabter Maler aus der Nachbarschaft gefertigt«, erwiderte die Hurenkönigin stolz. »Die Mädchen haben es bei ihm in Auftrag gegeben. Es soll mein Geburtstagsgeschenk werden.«
    *
    Kaum war die Totenwäscherin fort, eilte Ursel Zimmer zum Römerrathaus und bestand darauf, sogleich zum Bürgermeister geführt zu werden.
    Die Hurenkönigin, die das fünfzigste Lebensjahr bereits überschritten hatte und sich seit nunmehr zwei Jahrzehnten als Gildemeisterin um die Belange der städtischen Hurenschaft kümmerte, konnte sehr aufbrausend und ungnädig sein, wenn es darum ging, die Angelegenheiten der Hübscherinnen vor den Stadtoberen zu vertreten. Daher fürchteten die hohen Herren des Rates, die nahezu ausnahmslos zu ihren ehemaligen Kunden zählten, die Zimmerin. So war es auch Bürgermeister Reichmann recht unbehaglich zumute, als ihm von einem Rathausdiener gemeldet wurde, die Hurenkönigin wünsche ihn zu sprechen.
    Gleich darauf trat Ursel Zimmer in seine Amtsstube. Höflich bat er sie, auf einem Lehnstuhl vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen, und erkundigte sich, was er für sie tun könne. Die Zimmerin streifte den Würdenträger mit einem kurzen durchdringenden Blick, bei dem Reichmann das Gefühl hatte, sie könnte auf dem Grund seiner Seele den einen oder anderen schwarzen Fleck genau erkennen. Dann kam sie, ganz, wie es ihre Art war, gleich zur Sache:
    »Eine Eurer freien Töchter ist
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