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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd
Autoren: Ursula Neeb
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einmischen, die sie nichts angingen, beschied er sie und schob sie aus der Wachstube.
    Katharina hatte sich sehr darüber geärgert. Natürlich wusste sie, dass eine Reiberin aus der Badestube gewöhnlich nicht viel taugte und ein liederliches Frauenzimmer war, aber hatte sie nicht wie alle Leute, die meuchlings ermordet worden waren, ein Recht darauf, dass der Täter gefasst und bestraft wurde? Sie hatte mit ihrem Vater gesprochen, und der hatte ihr dringend geraten, den Mund zu halten und nichts weiter zu unternehmen. Widerstrebend folgte sie seinem Rat.
    Bei den stumpfsinnigen Stangenknechten würde Katharina sich jedenfalls nicht noch einmal das Maul verbrennen. Der Gedanke, die Sache einfach auf sich beruhen zu lassen, behagte ihr allerdings auch nicht.
    »Armes Ding, wer hat dir das nur angetan?«, flüsterte sie mitleidig und streichelte der Toten liebevoll über die kalte Wange. »Wo du doch so eine Schöne bist!«
    Sie kämmte der Toten sorgfältig das lang wallende Haar und fuhr mit der Totenwäsche fort. Als sie behutsam die zur Faust verkrampfte linke Hand der Hübscherin öffnete, um sie auch innen vom Schmutz zu reinigen, fand sie darin einen Stofffetzen. Erstaunt begutachtete Katharina das Stück Stoff genauer. Es war ein zerknittertes Dreieck aus scharlachroter Seide.
    »Seltsam«, murmelte die Totenwäscherin nachdenklich, während sie das durchweichte Stoffstück ins Licht der Kerze hielt. Am Ende stammt es gar von ihrem Mörder. Sie hat es ihm womöglich beim Todeskampf aus der Kleidung gerissen . Rote Seide – dann muss es aber ein feiner Pinkel gewesen sein. Denn Rot war von alters her eine Herrenfarbe, die armen Leuten gar nicht zu tragen erlaubt war. Und seidene Gewänder konnten sich gleichfalls nur Wohlhabende leisten. Schlagartig wurde ihr klar, dass sie ihre Entdeckungen unbedingt der Hurenkönigin melden musste.
    Als Katharina die Tote fertiggewaschen hatte, streifte sie ihr ein einfaches leinenes Totenhemd über. Dann klemmte sie ihr eine Pomeranze unters Kinn, um den Leichengeruch abzumildern und den Unterkiefer zu fixieren, rückte ihr den Kopf zurecht, damit das Gesicht zum Himmel gerichtet war, und faltete die Hände der Verstorbenen über der Brust. Die Kerze ließ sie brennen und stellte, wie es Brauch war, kleine Tiegel mit Milch und Honig für die Totengeister unter die Bahre.
    *
    Um die dritte Nachmittagsstunde bog Katharina auf dem Weg zum Frauenhaus eilig in die Mainzergasse ein. Sie war aufgeregt und fröstelte, was nicht alleine an den rauen Witterungsverhältnissen lag. Der Himmel war voll dunkelgrauer Wolken, und durch die langgezogene enge Gasse fegte ein eisiger Wind. Aber zu wissen, dass irgendwo in der Stadt ein Mörder, der junge Frauen erwürgte, unbehelligt seiner Wege ging, erfüllte sie mit größerem Unbehagen.
    Endlich hatte sie die westliche Stadtmauer erreicht, wo das Frauengässchen entlangführte, und gleich darauf stand sie vor dem Frauenhaus »Zum Rosengarten«. Katharina war ängstlich, denn sie war noch nie zuvor in einem Frauenhaus gewesen und wusste nicht so recht, was sie dort erwartete. Aber sie fasste sich ein Herz und erklomm mit flinken Schritten die Stufen zur Eingangstür.
    Im nächsten Augenblick ging die Tür auf, und ein Mann kam so schnell heraus, dass Katharina ihm nicht mehr ausweichen konnte. Sie geriet ins Straucheln und konnte sich gerade noch am Geländer festhalten. Dabei fiel ihr das Stückchen Seidenstoff, das sie die ganze Zeit über sorgsam in der Hand gehalten hatte, auf die Stufen.
    »Könnt Ihr denn nicht besser achtgeben«, entfuhr es ihr gereizt, während sie sich nach dem roten Stofffetzen bückte. Auch der Mann hatte sich sofort vorgebeugt, und so prallten sie erneut zusammen, dieses Mal sogar mit den Köpfen, was die Totenwäscherin mit einem ärgerlichen »Auweh!« quittierte.
    »Bitte entschuldigt meine Ungeschicklichkeit«, murmelte der hochaufgeschossene junge Mann in der abgetragenen Schaube und verbeugte sich ritterlich, während er Katharina den Flicken reichte. Immer noch konsterniert, betrachtete sie ihn genauer. Was für ein hübscher Kerl , fuhr es ihr durch den Sinn. Sein Gesicht war feingeschnitten und wurde von schulterlangen rotblonden Haaren umrahmt. Helle, meergrüne Augen musterten sie unverblümt, so dass sie verschämt den Blick senkte.
    Der junge Mann hingegen sah sie mit unverhohlener Bewunderung an. »Ihr seid sehr liebreizend«, entfuhr es ihm.
    »Was erlaubt Ihr Euch! Habt Ihr Euch im Hurenhaus
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