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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd
Autoren: Ursula Neeb
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heute nichts geändert. Ich sorg für dich, mach dir den Haushalt und stehe treu zu dir. Aber was anderes darfst du nicht von mir erwarten, das weißt du genau. Also hör endlich auf, dich und mich damit zu quälen.« Sie beugte sich zu ihrem Mann hinunter, der mit trübsinniger Miene am Tisch saß, und strich ihm begütigend über das kahle Haupt.
    »Du bist mir lieb und wert, und ich halte zu dir, in guten wie in schlechten Zeiten. Darauf kannst du dich verlassen, Onkel Rupp. Nur das eine verlange bitte nicht von mir.«
    »Ich weiß doch, mein Mädchen. Ist schon recht«, presste Ruprecht hervor und goss sich noch Wein nach. »Den trink ich jetzt noch, und dann geh ich schlafen«, erläuterte er gähnend. In wenigen Schlucken hatte er den Trinkbecher geleert und wankte zum Strohsack, während ihm Katharina einen guten Schlaf wünschte. Und hoffentlich einen tiefen, dachte sie bei sich, räumte den Tisch ab und bereitete sich einen Haferbrei zu. Als sie gleich darauf Bachers Schnarchen hörte, atmete sie erleichtert auf, setzte sich auf die inzwischen warme Ofenbank und löffelte verschlafen ihren Frühstücksbrei.
    Als Tochter des städtischen Totengräbers war Katharina Bacher von klein auf von Tod und Vergänglichkeit umgeben, was aber ihr Wesen keineswegs zu trüben schien. Im Gegenteil: Ihre bernsteinfarbenen Augen strahlten vor Energie und Lebenslust, und wenn sie lächle, so sagten die Menschen, die ihr zugetan waren, gehe regelrecht die Sonne auf. Früh hatte Katharina erfahren müssen, dass der Tod zum Leben dazugehörte, untrennbar mit ihm verbunden war. In seinem Schatten hatte sie gelernt, ihm die Lebensfreude gleichsam abzutrotzen. Bereits als Mädchen hatte sie der Mutter bei der Totenwäsche geholfen und war dadurch in ihre Tätigkeit hineingewachsen. Auch wenn ihr der Respekt für die Toten längst in Fleisch und Blut übergegangen war, so hatte sie doch durch ihren Beruf eine eher nüchterne Beziehung zum Tod entwickelt. Sie fand, dass der Tod weniger Rätsel barg, als die Menschen immer zu glauben schienen.
    Für die jetzt 22 -Jährige war das Leben ungleich faszinierender als der Tod, und sie sehnte sich unsagbar nach dem Glück einer erfüllten Liebe, das sie an der Seite ihres zwanzig Jahre älteren, ungeliebten Ehemannes bislang so schmerzhaft vermisste. Wie so häufig fragte sie sich, ob ihr das jemals beschieden sein würde, und schaute wehmütig in den trüben, wolkenverhangenen Himmel, der sich hinter den regennassen Butzenscheiben des kleinen Turmfensters abzeichnete. Während sie noch ihren Gedanken nachhing, ertönte von unten das laute, durchdringende Geräusch des Türklopfers, und sie schreckte zusammen. Rasch erhob sie sich von der Ofenbank, eilte die Wendeltreppe herunter und entriegelte die schwere Eichentür. Gleich darauf blickte sie in das grellgeschminkte Gesicht einer jungen Hübscherin.
    »Gott zum Gruße«, murmelte sie erstaunt und fragte die Hure nach ihrem Begehr.
    »Gott zum Gruße«, erwiderte die gelbgewandete Frau und musterte Katharina scheinbar gleichermaßen verwundert. »Ihr seid doch die Bacherin, die, wo die Toten waschen tut?«
    »Ja, die bin ich«, erwiderte Katharina und musste unversehens grinsen. Schon häufig hatte sie es erlebt, dass die Leute über ihre äußere Erscheinung verblüfft waren, weil sie sich unter einer Totenmagd ein hutzliges altes Weib vorstellten.
    »Ursel Zimmer, die Vorsteherin der städtischen Hurengilde, schickt mich. Ich soll Euch mit der Totenwäsche unserer Gildeschwester Hildegard beauftragen, die heut’ in der Früh tot im Stadtgraben aufgefunden worden ist.« Der jungen Hure traten die Tränen in die Augen, und sie hatte Mühe weiterzusprechen.
    »Mein Beileid«, erwiderte Katharina schlicht. »So tretet doch bitte ein, Ihr werdet ja ganz nass.«
    Zögernd trat die junge Frau über die Schwelle. »Ich danke Euch«, murmelte sie. »Das hätte längst nicht jede gemacht. Ich meine, dass Ihr eine von uns hereinkommen lasst. – Jedenfalls möchte ich Euch bitten, hernach auf den Peterskirchhof zu gehen und unsere Schwester herzurichten. Für morgen ist die Beerdigung angesetzt, und wir möchten uns vorher noch … von Hildegard verabschieden.« Sie schniefte und wischte sich die Tränen von den Wangen.
    »Keine Sorge, ich mach mich nachher gleich auf zum Friedhof«, versprach die Totenfrau und verabschiedete sich freundlich von der Hübscherin.
    Ehe die Frau im gelben Gewand aus der Tür trat, drehte sie sich noch einmal zu
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