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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd
Autoren: Ursula Neeb
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ermordet worden. Ich erwarte daher vom Magistrat, dass er in der Angelegenheit umgehend tätig wird.«
    »Ach, Ihr meint bestimmt die Hure, die am Morgen ertrunken im Stadtgraben gefunden wurde«, erkundigte sich der Bürgermeister vorsichtig. Seine lange, spitze Nase hatte sich seit dem Auftauchen der Hurenkönigin leicht gerötet.
    »Genau die meine ich. Es handelt sich im Übrigen um die Hübscherin Hildegard Dey, die dem Herrn Bürgermeister ja gut bekannt sein dürfte«, fügte sie spitz hinzu, während Reichmann verlegen den Blick senkte. »Mitnichten aber ist Hildegard ertrunken, sondern sie wurde, wie die Würgemale an ihrem Hals bekunden, eindeutig erdrosselt. Nur der Totenmagd Katharina Bacher, die die Tote im Auftrag der Hurengilde gewaschen und hergerichtet hat, ist es zu verdanken, dass dies überhaupt ruchbar geworden ist. Die Büttel, die sie heute Morgen gefunden haben, haben wohl noch geschlafen, dass sie das nicht bemerkt haben. Und auch dem herbeigerufenen Stadtarzt war unsere Schwester wohl keines genaueren Blickes wert.« Die Zimmerin schnaubte aufgebracht und schlug mit der flachen Hand auf die polierte Mahagoniplatte des Schreibtisches. Augenblicklich zuckte der Bürgermeister zusammen wie ein Scholar, den der Rohrstock des Magisters ereilt hatte. Doch die Hurenkönigin ließ ihm nicht mal die Zeit, Atem zu holen.
    »Ich möchte den Herrn Bürgermeister nur noch einmal daran erinnern, dass nicht nur das Frauenhaus und sein gesamtes Inventar Eigentum des Rates sind, sondern dass er seinen freien Töchtern gegenüber auch eine Verantwortung und Sorgfaltspflicht hat. Schließlich tragen sie durch ihr Gewerbe nicht unerheblich dazu bei, die städtischen Schatullen zu füllen. Ich muss den Rat mit allem Nachdruck dazu auffordern, einen Untersuchungsrichter mit der Aufklärung des Falles zu betrauen, damit der schändliche Mensch, der Hildegard auf dem Gewissen hat, alsbald gefasst wird.«
    Der Bürgermeister, dessen spitze Nase inzwischen einen satten Rotton angenommen hatte, nickte nur anheischig und versicherte der Hurenkönigin mit dem gebührenden Ernst, er werde noch heute alles Nötige in die Wege leiten.
    *
    Am nächsten Morgen betrat der Untersuchungsrichter Melchior Lederer das Sterbehaus auf dem Peterskirchhof. Er trug eine ausgeprägte Leichenbittermiene zur Schau, denn er war wenig erfreut darüber, sich sein ohnehin nicht gerade glänzendes Renommee durch Ermittlungen im Hurenmilieu noch mehr zu beschädigen. Als er die aufgebahrte Leiche in der Ecke der Totenkapelle gewahrte, überlegte er kurz, ob er sie sich vorab schon einmal anschauen sollte, entschied sich aber, auf den Stadtphysikus zu warten, der jeden Moment eintreffen musste.
    Während Richter Lederer steifbeinig und mit gesenktem Kopf durch die Leichenhalle trippelte, gemahnte er in seinem fadenscheinigen schwarzen Amtstalar, den kleinen, eng zusammenstehenden Augen und der langen Nase an eine übergroße Saatkrähe. Wenig später betrat der Stadtarzt Stefenelli die Totenkapelle. Er war gleichfalls nicht besonders erbaut, ein zweites Mal wegen einer ersoffenen Hure konsultiert zu werden. Nachdem der Arzt, der in seiner edlen pelzverbrämten Schaube und der modischen Kappe aus Biberhaaren weltmännische Vornehmheit ausstrahlte, den Untersuchungsrichter begrüßt hatte, machten sie sich auch sogleich ans Werk.
    Während der Leichenschau, die kaum zehn Minuten dauerte und sich vor allem auf die dunklen Hautverfärbungen am Hals der Toten konzentrierte, bemerkte der Arzt nur mit einigem Zynismus: »Na, da hat wohl einer im Eifer des Gefechts zu fest zugedrückt, und weg war sie.«
    Der Untersuchungsrichter stimmte nicht minder hämisch zu: »Soll ja bei derlei Frauenzimmern häufiger vorkommen, dass ein eifersüchtiger Galan mal grob wird und über die Stränge schlägt. – Ob sich ein solcher indessen ausfindig machen lässt, da hege ich so meine Zweifel«, grummelte er kopfschüttelnd.
    »Bei der ist doch halb Frankfurt ein und aus gegangen«, bemerkte Doktor Stefenelli abschätzig und verzog angewidert sein markantes Raubvogelgesicht. »Ihr seid um Eure Aufgabe fürwahr nicht zu beneiden, mein Guter. Meine Arbeit indessen ist beendet: Es handelt sich eindeutig um Tod durch Erwürgen. Eine weitergehende Visitation erübrigt sich demnach, und die Leiche kann unbedenklich unter die Erde geschafft werden.«
    »Gut, dann lasse ich den Totengräber und den Pfarrer verständigen, dass das Hurenbegräbnis begangen werden kann«,
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