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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd
Autoren: Ursula Neeb
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Katharina um. »Wenn die Arbeit getan ist, bittet Euch die Zimmerin, ins Frauenhaus zu kommen und Euch den Lohn abzuholen.«
    *
    Um die zwölfte Stunde verließ Katharina ihre Behausung im Stadtturm links der Galgenpforte und machte sich um einiges zu früh auf den Weg zum Peterskirchhof, um die Leiche der Hübscherin zu waschen. Sie hatte es eilig, ihrem Zuhause zu entkommen, wo der verliebte alte Tor bald aufwachen würde. Gemächlich schlenderte sie an den Verkaufsständen am Rande des Rossmarkts entlang, nahm die verlockenden Spezereien in Augenschein, die für sie immer unerschwinglich bleiben würden, und ignorierte die herablassenden und feindseligen Blicke der behäbigen Bürgersfrauen. Hier und da hielt sie einen Schwatz mit fremden Marktfrauen, die sie nicht kannten und von ihrem verfemten Berufsstand nichts ahnten.
    Als sie an einem Stand vorbeikam, an dem geröstete Maronen feilgeboten wurden, obsiegte ihr Heißhunger gegenüber der auferlegten Sparsamkeit. Sie erstand eine Handvoll der köstlichen Esskastanien, die sie im Weitergehen genüsslich verzehrte. Immerhin würde sie ja heute noch ein paar Groschen verdienen, wenn sie nachher die tote Hure herrichtete. Wenn sie am Nachmittag damit fertig war, würde sie heimgehen und ihrem Mann die Abendmahlzeit zubereiten. Dann musste er auch bald seinen Dienst als Nachtwächter antreten, und sie hatte ihre Ruhe vor ihm.
    Als sie wenig später den Friedhof betrat und auf das Bahrhaus zustrebte, in dem ihr Vater eine Kammer bewohnte, war sie noch so in Gedanken versunken, dass sie den Pfarrer gar nicht bemerkte, der ihr entgegengeeilt kam. Beinahe wäre sie mit ihm zusammengestoßen.
    »Gelobt sei Jesus Christus«, murmelte sie erschrocken und verbeugte sich artig in seine Richtung.
    »Dank sei Gott dem Herrn«, entgegnete Pfarrer Juch unwirsch und schüttelte ungehalten sein kahles Haupt. »Wo steckt denn nur wieder dein Vater? In ein paar Tagen begehen wir das Fest der Toten, und drüben im Beinhaus sieht es wieder mal aus wie Kraut und Rüben! Man muss sich ja schämen …«
    Wenn er nicht zu Hause oder auf dem Kirchhof ist, sitzt er womöglich in irgendeiner Schenke und lässt sich volllaufen, dachte Katharina besorgt, doch sie erklärte nur betreten, dass sie nicht wisse, wo sich ihr Vater aufhalte. Als der Geistliche ihre Befangenheit bemerkte, mäßigte er seinen Tonfall und äußerte milder:
    »Na, du kannst ja nichts dafür, Kind«, und wandte sich mit einem knappen »Gott zum Gruße« zum Pfarrhaus.
    Wenn der den Vater auf seine alten Tage nur nicht noch wegen seiner Sauferei vor die Tür setzt. Bekümmert setzte Katharina ihren Weg fort.
    Nachdem sie in der Kammer ihres Vaters einen großen Bottich mit heißem Wasser bereitet und ihre Arbeitsutensilien zusammengetragen hatte, ging sie in die an der westlichen Friedhofsmauer gelegene Totenkapelle, wo die Toten gewaschen und aufgebahrt wurden. Dort lag auch der schlammverkrustete Leichnam der jungen Hübscherin.
    Ehe Katharina mit der Säuberung begann, bekreuzigte sie sich vor der Toten und hielt ihr eine brennende Kerze an Mund und Nase, um sicherzugehen, dass die Frau tatsächlich nicht mehr lebte. Auch wenn sie es selbst noch nicht miterlebt hatte, ereignete es sich doch zuweilen, dass angeblich Verstorbene als Scheintote zu Grabe getragen wurden, weil eine genauere Prüfung versäumt worden war.
    Im Falle der jungen Hübscherin aber brachte kein Hauch die Flamme zum Flackern. Noch nicht einmal die Augen haben sie ihr geschlossen , ste llt e Katharina unmutig fest und senkte behutsam die Lider der Toten über die deutlich hervorgetretenen Augäpfel. Dann befreite sie den Körper von dem schmutzstarrenden gelben Gewand und wusch zunächst die Haare und das Gesicht der jungen Frau. Auf einmal hielt sie erschrocken inne. Am Hals der Toten waren dunkle Flecken zu sehen. Würgemale! Die ist erwürgt worden. Genau wie die Bademagd, die ich im Frühjahr gewaschen habe. Angespannt überlegte die Totenwäscherin, was sie tun sollte.
    Damals hatte sie, gleich nachdem sie bei der Totenwäsche die bläulichen Blessuren am Hals der Toten festgestellt hatte, die Bürgerpolizei verständigt. Doch der diensthabende Polizeibüttel hatte ihr erklärt, für derlei habe man jetzt, wo in wenigen Tagen die Frühjahrsmesse eröffnet werde, fürwahr keine Zeit. Streitereien unter dem Badestubengesindel gebe es immer wieder, das brauche keinen zu verwundern. Sie solle gefälligst ihre Arbeit machen und sich nicht in Dinge
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