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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition)
Autoren: Alexander Moszkowski
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der Sprache das Zinn, das ist in der deutschen Prosa das Fremdwort. Man mag es als ordinär betrachten, gemessen am Wert des Heimatwortes, aber es ist zum Klang unentbehrlich.
    Derartige Erwägungen liegen freilich nicht im Gedankenzuge derer, die in allen Erwägungen mit einem Gesichtspunkt, mit einem Leitmotiv auskommen. Sie vergleichen zwei Prosa-Erzeugnisse A und B, ermitteln A als das reinere, B als das unreinere und zögern keinen Augenblick mit dem Werturteil: A ist höherwertig, B minderwertig. Über das absolute Gut und Böse kommen sie nicht hinaus.
    Mit dieser Einseitigkeit des Gesichtspunktes kann man aber beweisen was man will. Zum Beispiel: Die Lerche trillert schöner als der Adler, folglich ist die Lerche der übergeordnete Vogel. Die Rose besitzt nicht den Nährwert der Kartoffel, folglich ist die Kartoffel besser, die Rose schlechter. Quellwasser ist reiner als Ozeanwasser, folglich verdient die Quelle den Vorzug. Gar nicht anders verfahren sie, wenn sie Prosa gegen Prosa abmessen. Nur auf den einen Vergleichspunkt starren sie, und aus diesem springt ihnen der Weisheit letzter Schluß entgegen.
    Zum mindesten müßten sie sich doch fragen: wie kommt es denn eigentlich, daß gerade in Deutschland soviel schlimme Gesellen die Sprachübermacht gewonnen haben? wie kommt es, daß die mit allem Glanze der Heiligkeit umwobene Muttersprache so vielen Ketzern die Möglichkeit gegeben hat, sich an ihr zu versündigen?
    Wird die Frage so richtig gestellt, so gibt es nur eine einzige Antwort: das erklärt sich daraus, daß es nicht wahr ist.
    Wäre es nämlich wahr, so müßte noch ein anderes wahr sein, ein Ungeheuerliches: daß nirgends so schlecht gedacht wird als in Deutschland; denn Denken und Sprechen sind Eines, sind nur verschiedene Erscheinungsformen ein und desselben Vorganges.
    Es ist der Geist, der sich den Körper formt. Und wenn Buffons Ausspruch »le style c'est l'homme« in Gültigkeit besteht, so bedeutet er eine identische Gleichung mit vertauschbarem Rechts und Links. Der Mensch ist in dieser Betrachtung der Denker, sein Stil bietet den eindeutigen Ausdruck seines Denkens, beide sind getrennt weder zu preisen noch zu bemäkeln, und ist die Höhe des Denkens eindeutig festgestellt, so ist die Höhe des Stils dadurch mitbestimmt. Viele Große haben es ausgesprochen, viele Bescheidene es verständnisvoll nachgedacht und nachempfunden, daß nur der einen guten Stil schreibt, der etwas zu sagen hat; daß also der gute Stil, die gute Prosa an sich überhaupt gar keinen Vernunftinhalt besitzt. Der Satz bleibt vermöge jener Identität auch richtig, wenn man ihn so faßt: Jeder , der etwas zu sagen hat, findet dafür den guten Stil. Zur Beurteilung gehört freilich Einer, der den Stil nicht an einer Regel, an irgendwelchem Schema, an einer persönlichen Liebhaberei mißt, sondern am Gedanken, sofern er in der Lage ist, ihn mitzudenken.
    Ein Volk der Denker ist mithin ein Volk der Stilisten. Wer den Stil des Volkes benörgelt, daneben aber dessen Denkstärke gelten lassen möchte, verfällt einem unheilbaren Widersinn, denn er will Dinge trennen, die ewig untrennbar bleiben. Er stellt sich einmal auf die konvexe, einmal auf die konkave Seite der Kurve und fabelt von verschiedenen Krümmungen, findet die eine erhaben, die andere bedauerlich hohl, und ist nicht imstande, die verschiedenen Eindrücke zu der im Wesen der Dinge begründeten Einheit zusammenzufassen.
    Ginge er ganz folgerichtig vor, so müßte er zugleich mit der Prosa das Denken bestreiten. Lohnt es, diese Möglichkeit ernsthaft ins Auge zu fassen? Hat schon irgend ein Zurechnungsfähiger das Wort vom Volk der Denker zu erschüttern gewagt? Dieses Wort ist nicht als Selbstlob in die Welt gerufen worden, wurde vielmehr von einem englischen Sprachmeister (Bulwer) geprägt und ist in allen Variationen eines der kräftigsten Motive der Weltsymphonie geworden. In allen Stürmen des Weltkrieges wurde selbst von erbitterten Feinden aufrechterhalten, was vordem Mirabeau, Carlyle, die Staël, Dickens, Gobineau gepredigt hatten, am eindringlichsten Buckle in seinem berühmten Zivilisationswerk: »Die deutsche Literatur ist die erste in Europa; zweifellos haben die Deutschen seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts eine größere Anzahl tiefer Denker hervorgebracht als irgend ein anderes Land, ich könnte vielleicht sagen, als alle anderen Länder zusammen genommen!«
    Diese Felsenschrift: Deutschland über alles, Deutschland an der Spitze aller
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