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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition)
Autoren: Alexander Moszkowski
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reinen noch einen unreinen, sondern immer nur seinen eignen, den notwendigen; es konnte keinen anderen Stil haben, als den, welchen es hat. Dieser Stil, die Schattenprojektion des Werkes auf eine besondere Betrachtungsebene, steht jenseits von allen Eigenschaftsworten und weiß von keinem Adjektiv. Er ist ebensowenig schön, häßlich, bedeutend, gemein, erhaben, niedrig, als man ihn viereckig, kuglig, metallisch, gasförmig, blau oder violett nennen dürfte.
    Tritt das Werk vollends als eine Offenbarung auf, als eine Erschütterung überlieferter Anschauungen, so kann nur ein Narr – oder ein Akademiker vom Schlage der vierzig Unsterblichen – dazu gelangen, seinen Stil gesondert zu prüfen und ihn gegebenenfalles als satzungswidrig zu bemäkeln. Wie es auch närrische Naturphilosophen gegeben hat, die gewisse Tier- und Landschaftsformen als unpassend und verfehlt verworfen haben. Im Grunde spukt auch hier der alte Anthropomorphismus, der sich mit großen Erscheinungen nach dem Maße seiner kleinen Menschlichkeit auseinandersetzt und an einem Vulkan zunächst das regelwidrige und störende wahrnimmt. Der Stil des Vulkans ist sein Ausbruch in lodernden Flammen, Stickgasen, Schlacken und Verwüstung. Dem betrachtenden Narren gefällt vielleicht das Feuerwerk, aber das übrige erscheint ihm als ein schwerer Verstoß gegen den Stil einer gesitteten Landschaft. Ein Berg soll nichts auswerfen, am allerwenigsten seine eigenen stinkenden Exkremente. Der Ausdrucksstil des Vulkans paßt ihm nicht.
    Dem getadelten Vulkan entspricht der abgelehnte Denker. Der ebenso beschränkte wie einflußreiche Kritiker wird uns immer entgegenhalten, daß er ja für die Größe der Erscheinung genügend Verständnis besitze; nur gegen seinen Ausdruck, seine Sprache, seinen Stil müsse er sich wehren. Er wolle sich äußerstenfalles sogar mit einer Eruption befreunden, nur müsse das Ausgeworfene nach dem Literaturkonfekt schmecken, an das seine Zunge gewöhnt sei.
    Der Grad der Torheit mag verschieden ausfallen nach dem sonstigen Bildungsgrad des Beurteilers. Aber eine Torheit wird und muß letzten Endes immer herauskommen, wo nur immer im großen zwischen der Sache an sich und ihrem Ausdruck, zwischen Denkart und Sprache unterschieden wird. Die Einsicht, daß sie unauflöslich in einander aufgehen, ist der Anfang der Sprachweisheit. Dieser Anfang ist mit Schwierigkeiten umschanzt, die wiederum selbst nur von einem Denker durchbrochen werden können.
    Aber manches Gehirn, das bisher nur mitdachte, was Schöngeister und stilglättende Regelfinder ihm vordachten, wird zu diesem Anfang gelangen können, wenn er sich nur entschließt, für eine kurze Zeit unser Prinzip als eine Arbeitshypothese anzunehmen; so, als ob es völlig erweisbar und erwiesen wäre. Schnell genug wird er merken, daß die Hypothese unter allen Voraussetzungen die einzige ist, die zur Wahrheit führt, und daß das Als Ob die Form der Wirklichkeit gewinnt. Ihm wird zumute werden wie einem Zeitgenossen des Kopernikus, den das erlösende Wort aus der alten Weltbetrachtung in die neue überführte, mit einem zuerst gewaltsamen, abenteuerlichen Denkakt. War der erste Ruck überwunden, so löste sich das Abenteuer zu einer Selbstverständlichkeit, welche fortan den Zwiespalt zwischen Erde und Welt aufhob.
    Auch in unserem Falle befreit der große Ruck von einem dualistischen Irrglauben, und mit der Überzeugung von der Einheit in Stil und Inhalt verschwinden tausend Unzuträglichkeiten und Beklemmungen aus der Literaturbetrachtung; tausend Dinge, die wie Geplänkel, Feuilleton und Katzbalgerei aussehen und nichts in einer umfassenden Wertung des großen Schrifttums zu suchen haben. Schlechter Stil? schlechte Prosa? gewiß, die können vorkommen, wie ja auch eine schlechte Gravitation vorkommt, in der Küche, wenn das Geschirr polternd zerbricht, oder auf der Straße bei Glatteis. Aber im Weltbau und im Literaturbau gibt es keine schlechte Gravitation und keinen schlechten Stil, sondern nur Kraft und Ausdrucksform, die in der Notwendigkeit wurzeln.
    In dem verwirrenden Spiel der Figuren von den kreisenden Planeten bis zu den wirbelnden Atomen, und gleicherweise in allen Bewegungen innerhalb der Schriftwelt gibt es nur eine richtende Gewalt, nur auf diese kommt es an. Nennt sie wie ihr wollt, aber seid euch dessen bewußt, daß sie nur für die zufällige Betrachtung, nicht aber als Wesenheit in Teilerscheinungen auseinanderfällt. In Anfang war das Wort, gleichgesetzt mit Sinn,
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