Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der sieben Palmen

Das Geheimnis der sieben Palmen

Titel: Das Geheimnis der sieben Palmen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Er kroch zurück, sprang dann auf und flüchtete geduckt die Lavahalde hinunter zum Strand. Dort hetzte er durch das seichte Wasser, kletterte an Bord der weißen Motoryacht und schien dann im Schutz der Aufbauten Phil Hassler mit einem Fernglas zu beobachten. Phil kam aus seiner Deckung hervor und stellte sich breitbeinig auf seinen Lavafelsen.
    Sieh mich nur an, dachte er. Betrachte mich genau! Ich wollte Frieden! Ich wollte nie einen Menschen töten. Nie! Wenn es einen Pazifisten in Reinkultur gibt: Hier steht er! Aber soll ich mich töten lassen?
    Warum habt ihr auf mich geschossen?
    Der Motor der schnittigen Yacht brummte auf. Langsam glitt sie durch die Einfahrt hinaus auf den Ozean, ohne Schwierigkeiten, ohne Tastversuche.
    Er war schon mehrmals hier, dachte Phil. Aber bisher wußte das keiner. Für ihn bin ich der Eindringling.
    Wer konnte das ahnen? Doch das ist kein Grund, sofort zu schießen und mit den Haien zu drohen.
    Er blickte hinunter zu den beiden Toten im Lavageröll. Das normale Leben hatte ihn wieder erreicht: Blut und Tod. Wo Leichen liegen, hört das Paradies auf.
    Er klemmte das Gewehr unter die rechte Achsel, ließ es entsichert und stieg vorsichtig die Lavahalde hinab zu den verkrümmt daliegenden Körpern.
    Ein Bussard hockte schon zwischen ihnen und pickte mit seinem krummen, messerscharfen Schnabel im Blut, das einem der Toten aus der Stirnwunde sickerte.
    Zum erstenmal sah Phil Menschen, die er mit eigener Hand getötet hatte. Er hatte im Laufe seines Lebens einige Tote sehen, zum Teil sogar identifizieren müssen: bei Autorennen, seiner ehemaligen Freunde, bei Motorbootrallyes, Skirennen von steilen Berghängen herab, Bobschlittenfahrten. Auf der Autobahn und nach dem Absturz eines Privatflugzeugs hatte er Tote gesehen. Und er hatte am Bett seiner Frau gesessen und in allen schrecklichen Phasen miterlebt, wie ein Mensch sterben kann, der so am Leben hängt, so das Lachen liebt und sich immer wieder verzweifelt aufbäumt gegen das ewige Dunkel. Eine Gegenwehr, die dem versickernden Leben nur Stunden, später nur noch Minuten einbrachte. Aber es waren Minuten, da sie sterbend noch seine Hand umklammern konnte in dem glücklichen Bewußtsein, daß er bei ihr saß und sie auch jetzt noch, im letzten Augenblick ihres Lebens, liebte.
    Viele Tote … Aber keiner war durch seine Hand gestorben! Auf der Jagd, natürlich – da hatte er geschossen. Jedes Wild, das zum Abschuß freigegeben war. War man in der Gesellschaft ›in‹, wurde man auch eingeladen. Es galt als Wertmaßstab, zu welcher Jagd einer gebeten wurde und was man ihm zum Abschuß freigab. Eine Hasenjagd galt als Höflichkeitseinladung, so wie bei den Damen ein Kaffeekränzchen. Wer aber zu einem Hirsch eingeladen wurde, zu einem Bären nach Ungarn oder zu einem Elch nach Finnland, zu einem Tiger nach Bengalen oder zu einem Jaguar nach Somalia, der durfte sich auch in den feinsten Salons bewegen, als sei er dort zu Hause.
    Auch das – diese Hierarchie innerhalb einer hohlköpfigen, nur zum Vergnügen herumreisenden Gesellschaft – hatte Phil schließlich nur noch angewidert. Er war zuletzt sogar provozierend geworden: In Cannes strich er nachts die weiße Yacht seines Freundes, der sein Geld als Eros-Center-Besitzer in neun Städten verdiente, mit nazibrauner Farbe an, weil er wußte, daß Hubert Lugrich im sogenannten Dritten Reich einen hohen Parteiposten innegehabt hatte. Und beim Grafen von Herboldtskronen fotografierte er ausgiebig einen Zehnender, statt ihn zu schießen. Seine Freunde werteten das als Beginn des Irrsinns oder als einen neuen Spleen – man war sich noch nicht einig. Phil Hassler konnte sich beides leisten: verrückt zu werden oder ein spleeniger Dandy. Er würde immer ›in‹ sein.
    Mit dem Gewehrlauf versuchte Phil, den Blut trinkenden Bussard wegzujagen. Aber der Vogel, zutraulich wie alle Tiere hier, ließ sich nicht beirren. Er blickte aus seinen starren Vogelaugen Phil nur erstaunt an und pickte weiter in die Schläfe des Toten. Selbst als Phil ihm mit dem Gewehrlauf einen Schlag auf den Kopf gab, hüpfte er nur drei Schritte weiter, setzte sich wieder auf das Lavagestein und beobachtete ihn kritisch. Was wollte der große Kamerad? Blut und Fleisch sind Nahrung. Tod ist etwas Selbstverständliches. Wie kann man sonst leben? Komm, wir teilen uns die Beute.
    Phil Hassler kniete sich neben den ersten Toten und wälzte ihn auf den Rücken. Er war ein Mann in mittleren Jahren, vielleicht um die Vierzig
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher