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Das Geheimnis der Schnallenschuhe

Das Geheimnis der Schnallenschuhe

Titel: Das Geheimnis der Schnallenschuhe
Autoren: Agatha Christie
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einen kleinen Raum, der einen Schreibtisch, einen Tisch mit Spirituskocher und Teegeschirr sowie einige Stühle enthielt. Einen zweiten Ausgang gab es nicht.
    «Hier hat seine Sekretärin und Assistentin gearbeitet», erklärte Japp. «Miss Nevill. Sie ist heute anscheinend nicht da gewesen.»
    Poirots Blick begegnete dem seinen. Poirot sagte: «Ich erinnere mich, dass er mir davon erzählt hat. Könnte nicht auch das – ein Argument gegen den Selbstmord sein?»
    «Sie meinen, man hätte sie absichtlich fortgelockt?» Er zögerte einen Augenblick und fragte dann: «Aber wenn Morley wirklich ermordet worden ist – wer hätte es tun können?»
    «Nahezu jeder hätte es tun können», erklärte Poirot ernst. «Seine Schwester konnte ihn erschießen, sein Partner Reilly konnte es tun, der Boy Alfred – alle Patienten besaßen die Möglichkeit, Morley zu töten.» Er überlegte einen Augenblick. «Am leichtesten von allen konnte ihn Amberiotis erschießen.»
    «Aber in dem Fall müssen wir herausfinden, warum.»
    «Ganz richtig. Sie sind wieder bei dem ursprünglichen Problem angelangt: Warum? Amberiotis wohnt im Savoy. Warum sollte ein reicher Grieche den Wunsch haben, einen harmlosen Zahnarzt zu erschießen?»
    «Das ist tatsächlich unsere Hauptschwierigkeit: das Motiv!»
    Poirot zuckte die Achseln.
    «Es sieht so aus, als habe der Tod in ganz unkünstlerischer Weise den Falschen ausgesucht. Der geheimnisvolle Grieche, der reiche Bankier, der berühmte Detektiv – wie natürlich hätte es sich gemacht, wenn einer von diesen erschossen worden wäre! Denn geheimnisvolle Ausländer können in Spionagegeschichten verwickelt sein, reiche Bankiers haben Verwandte, die von deren Tod profitieren, und berühmte Detektive bilden eine Gefahr für verbrecherische Elemente.»
    «Wogegen der arme alte Morley niemandem etwas zuleide getan hat», ergänzte Japp missmutig.
    «Vielleicht doch?»
    Japp fuhr herum.
    «Woran denken Sie?»
    «An nichts. Nur eine zufällige Bemerkung.» Er berichtete Japp, dass Morley so nebenbei etwas über sein Physiognomiengedächtnis und das Wiederauftauchen eines bekannten Gesichts unter seinen Patienten gesagt hatte.
    Japp machte ein bedenkliches Gesicht.
    «Möglich ist es schon, nehme ich an. Aber es scheint ein bisschen weit hergeholt. Es muss jemand gewesen sein, der seine Identität verschleiern wollte. Unter den Patienten heute Morgen ist Ihnen niemand aufgefallen?»
    Poirot murmelte: «Im Wartezimmer habe ich einen jungen Mann bemerkt, der aussah wie ein Mörder!»
    Japp meinte überrascht: «Was meinen Sie damit?»
    Poirot lächelte: « Mon cher – das war, als ich das Haus betrat! Ich war nervös, voll dummer Gedanken – enfin, ich war schlechter Laune. Alles erschien mir in einem unheilvollen Licht. Das Wartezimmer, die Patienten, sogar der Treppenläufer! In Wirklichkeit wird der junge Mann wohl nur böse Zahnschmerzen gehabt haben – das war alles!»
    «Ich weiß, wie das ist», sagte Japp. «Trotzdem werden wir uns Ihren Mörder einmal näher ansehen. Wir werden uns alle möglichen Verdächtigen vornehmen, ob es nun Selbstmord ist oder nicht. Ich denke, das Nächste wird eine nochmalige Unterhaltung mit Miss Morley sein. Ich habe sie nur ganz kurz gesprochen. Natürlich war es ein schwerer Schlag für sie, aber sie gehört zu den Leuten, die nicht zusammenklappen. Kommen Sie, wir wollen mit ihr sprechen.»
     
    Hoch aufgerichtet und unbewegt hörte Georgina Morley den beiden Männern zu und beantwortete ihre Fragen. Sie sagte mit Nachdruck: «Es scheint mir unglaublich – ganz unglaublich –, dass mein Bruder Selbstmord begangen haben soll!»
    «Ist Ihnen klar, Mademoiselle, dass dann nur eine einzige andere Möglichkeit übrig bleibt?», sagte Poirot.
    «Sie meinen: Mord.» Einen Augenblick schwieg sie nachdenklich. Dann sagte sie langsam: «Es stimmt – diese Lösung erscheint ebenso unmöglich wie die andere.»
    «Aber nicht ganz so unmöglich?»
    «Nein, weil – verstehen Sie, in meinem Fall spreche ich von etwas, das ich genau kannte, nämlich vom Seelenzustand meines Bruders. Ich weiß, dass ihn nichts bedrückte, dass er keinen Grund – nicht den geringsten Grund – hatte, sich das Leben zu nehmen!»
    «Sie haben ihn heute früh gesprochen, bevor er in die Praxis ging?»
    «Ja, beim Frühstück.»
    «Und er war ganz wie immer – in keiner Weise verändert?»
    «Verändert war er – aber nicht, wie Sie meinen. Er war bloß ärgerlich.»
    «Warum das?»
    «Er hatte
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