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Das Geheimnis der Schnallenschuhe

Das Geheimnis der Schnallenschuhe

Titel: Das Geheimnis der Schnallenschuhe
Autoren: Agatha Christie
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haben nicht viel Freude daran – oder?»
    «Nein, ich bin gar nicht erfreut.»
    Alistair Blunt sagte: «Ich habe drei Menschen getötet. Ich müsste also vermutlich gehängt werden. Aber Sie haben meine Verteidigung gehört.»
    «Worin besteht Ihre Verteidigung?»
    «Ich bin nach bestem Wissen und Gewissen der festen Überzeugung, dass ich dringend gebraucht werde, um unserem Land Frieden und Wohlstand zu erhalten.»
    «Von Ihrem Standpunkt aus mögen Sie vielleicht Recht haben», gab Poirot zu.
    «Also, was geschieht?»
    «Sie meinen, ich soll den Fall – aufgeben?»
    «Jawohl.»
    «Und Ihre Frau?»
    «Ich habe ziemlichen Einfluss. Man könnte es auf eine Personenverwechslung hinauslaufen lassen.»
    «Und wenn ich mich weigere?»
    «Dann», erwiderte Blunt ruhig, «bin ich erledigt.»
    Hastig fuhr er fort: «Sie haben es in der Hand, Poirot. Aber ich wiederhole – und ich sage das nicht nur, um mich zu retten: Die Welt braucht mich. Und wissen Sie, warum? Weil ich ein ehrlicher Mensch bin. Und weil ich gesunden Menschenverstand habe – und keine selbstsüchtigen Ziele verfolge.»
    Poirot nickte. Seltsamerweise glaubte er Blunt aufs Wort.
    «Ja, das ist die eine Seite der Angelegenheit. Sie sind der richtige Mann auf dem richtigen Platz. Aber es gibt eben noch die andere Seite: drei Menschen, deren Tod Sie verschuldet haben.»
    «Ja, aber überlegen Sie sich einmal: was für Menschen! Mabelle Sainsbury Seale – von der haben Sie selbst gesagt: ‹Eine Frau mit dem Verstand einer Henne!› Amberiotis – ein Schwindler und Erpresser!»
    «Und Morley?»
    «Ich habe Ihnen schon gesagt: Um Morley tut es mir Leid. Das war ein anständiger Kerl und ein guter Zahnarzt – aber schließlich gibt es noch andere Zahnärzte.»
    «Ja», nickte Poirot, «es gibt noch andere Zahnärzte. Und Frank Carter? Den hätten Sie gleichfalls ohne Bedenken sterben lassen?»
    «Mit dem habe ich kein Mitleid. Der taugt nichts. Ein ganz unnützer Geselle!», erwiderte Alistair Blunt.
    «Aber auch ein Mensch…»
    «Nun ja, Menschen sind wir schließlich alle…»
    «Eben, wir alle sind Menschen – das scheinen Sie zu vergessen. Sie sagen, Mabelle Sainsbury Seale sei ein törichter Mensch gewesen, Amberiotis ein gemeiner Mensch, Frank Carter ein unnützer Mensch und Morley – nun, Morley nur ein Zahnarzt, und Zahnärzte gebe es in Hülle und Fülle. Das ist der Punkt, an dem unsere Auffassungen sich trennen. Für mich ist das Leben dieser Menschen ebenso wichtig wie Ihr Leben.»
    «Da irren Sie sich!»
    «Nein, ich irre mich nicht. Einen einzigen Schritt irrten Sie vom Weg ab – und äußerlich hat das an Ihnen nichts verändert. Nach außen hin sind Sie der gleiche geblieben: aufrecht, verlässlich, ehrenwert. Aber in Ihrem Innern schwoll das Bedürfnis nach Macht zu überwältigender Größe. So haben Sie vier Menschenleben geopfert und sich nichts dabei gedacht.»
    «Ist Ihnen denn nicht klar, Poirot, dass die Sicherheit und der Wohlstand der ganzen Nation von mir abhängt?»
    «Ich kümmere mich nicht um Nationen, Monsieur. Ich kümmere mich um das Leben einzelner Menschen, die ein Recht darauf haben, dass ihnen dieses Leben nicht mit Gewalt genommen wird.»
    Er stand auf.
    «Das also ist Ihre Antwort», flüsterte Alistair Blunt.
    Hercule Poirot erwiderte mit müder Stimme: «Ja – das ist meine Antwort…»
    Er ging zur Tür und öffnete sie. Zwei Männer betraten das Zimmer.
     
    Poirot stieg die Treppe hinunter. Im Erdgeschoss wartete ein Mädchen. Jane Olivera lehnte blass und abgespannt am Kamin, neben ihr stand Howard Raikes.
    Sie fragte: «Nun?»
    Behutsam sagte Poirot: «Es ist alles vorbei.»
    Raikes knurrte: «Was meinen Sie damit?»
    «Alistair Blunt ist unter Mordanklage verhaftet worden.»
    Raikes warf ein: «Ich dachte, er würde sich bei Ihnen mit einem Scheck loskaufen.»
    «Nein, das habe ich nie gedacht», versicherte Jane.
    Poirot sagte seufzend: «Die Welt gehört euch. Der neue Himmel und die neue Erde. In eurer neuen Welt lasst Freiheit sein und Mitleid. Das ist alles, was ich von euch will.»
     
    Hercule Poirot ging durch die verlassenen Straßen zu Fuß nach Hause. Eine unauffällige Gestalt schloss sich ihm an.
    «Nun?», fragte Mr Barnes.
    Hercule Poirot zuckte die Achseln und machte eine Gebärde des Bedauerns.
    Barnes fragte: «Wie hat er sich verteidigt?»
    «Er hat alles zugegeben und nur eingewandt, dass seine Handlungsweise gerechtfertigt gewesen sei. Er sagt, sein Land brauche ihn.»
    «Das
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