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Das Geheimnis der Salzschwestern

Das Geheimnis der Salzschwestern

Titel: Das Geheimnis der Salzschwestern
Autoren: Tiffany Baker
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Sein Onkel hatte ihn schließlich davon überzeugt, sich doch auch einmal an dieser alten Kunst zu versuchen. Claire stand da und fragte sich, ob die Bande der Liebe wirklich so zart waren oder doch so stark und fest, dass ein einzelnes reißendes Fädchen da gar nichts ausmachte.
    »Bist du bereit?«, wollte Jo wissen und drückte Claire an der Tür des kleinen Häuschens, das ihre Schwester mit Ethan bewohnte, die Hand.
    »Gib mir noch eine Minute«, murmelte Claire und strich sich vor dem Flurspiegel die Haare glatt. Wo ist nur die Zeit geblieben, fragte sie sich, als sie die Spuren des Alters in ihrem Gesicht betrachtete. Sie hatte zugelegt, die Wangen waren längst nicht mehr so straff und ihr rotes Haar, einst ihr ganzer Stolz, war jetzt fast völlig ergraut. An manchen Tagen erkannte sie sich selbst kaum wieder. Jetzt drehte sie sich zu Jo um, die ihr ein dickes Bündel Papiere in die Hand drückte, und dann schlichen sie auf Zehenspitzen so leise wie möglich in Jordys Zimmer, um ihn zu wecken.
    »Was ist das denn?«, murmelte der, als Jo und Claire ihm die Dokumente zeigten – bei einigen der uralten Blätter war die Tinte schon fast verblichen, andere waren zerknittert und zerfetzt. Es gab einen Zettel mit einer vertrauten, wenn auch nicht ganz echten Schrift und einem kleinen Herzchen. Und dann war da auch noch der Brief in Claires eigener Handschrift.
    »Alles Gute zum Geburtstag, Jordy«, gratulierte ihm Claire und schob ihm die Haare aus den Augen, so wie sie es früher immer getan hatte. »Die sind für dich. Deine Tante und ich haben sie für dich zurückgelegt, als du ein Baby warst.«
    Er setzte sich in dem schmalen Bett auf, in dem er noch immer schlief – es war Claires altes Kinderbett – und nahm das Päckchen an sich. In seinem Leben gab es nichts Neues – von den Möbeln bis hin zu den Schuhen war alles alt, abgenutzt und bequem ausgebeult –, aber das hier war sogar für Jo und Claire ein seltsames Geschenk. »Was ist das?«, wollte er wieder wissen und löste die Bänder, die alles zusammenhielten.
    Claire zögerte. »Das ist dein Erbe.«
    Jordy rieb sich die Augen, und Claire konnte sich schon vorstellen, was er dachte. Jo verdiente sich den Lebensunterhalt mit der Gewinnung von Salz, und Claire erstellte daraus Mischungen und benutzte es zum Backen. Soweit er wusste, konnten sie ihm nur eines hinterlassen, nämlich alte Brötchen und das Wissen, wie man ein Becken auskratzt.
    Claire griff nach dem Packen und reichte ihm dann das erste Papier. »Fang am besten damit an«, schlug sie vor. Es war ein offizielles Dokument, die Besitzurkunde für das Turner-Haus, das seit Whits Tod auf Plover Hill leer stand und seine Schatten wie ein trauriger Wasserspeier über Prospect warf.
    Jordy überflog das Juristenlatein und gab Claire dann das Papier zurück. »Das versteh ich nicht.«
    Claire sah zu Jo hinüber und holte tief Luft. »Dieses Haus gehört jetzt dir. Whit Turner war nämlich dein Vater.« Verwirrt ließ Jordy den Blick durchs Zimmer wandern. In einer Ecke stand ein halb gepackter Schrankkoffer und neben der Tür lehnte eine Reisetasche an der Wand. In ein paar Wochen würde er zum Studieren nach Boston gehen und ein neues Leben anfangen. Claire hätte wetten können, dass er nicht damit gerechnet hatte, schon heute ein ganz neues Kapitel aufzuschlagen. Um ihn zu beschützen, hatten Jo und sie ihm stets erzählt, dass sie nicht wüssten, wer sein Vater sei – und er hatte ihnen immer geglaubt. Und nun fand er plötzlich heraus, dass er der Sohn einer alten und illustren Familie war, der reichsten in der Stadt.
    »Was soll ich denn mit einem Haus anfangen?«, murmelte er. »Und vor allem mit so einem?«
    »Oh, das ist auch nicht für jetzt.« Claire faltete die Urkunde zusammen und legte sie wieder zum Bündel mit den anderen Papieren. »Sondern für irgendwann. Du wirst schon wissen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist.«
    »Und warum gebt ihr mir das alles gerade jetzt, wenn ich doch bald weggehe?«, fragte er. »Und wer hat sich denn die ganze Zeit um den alten Kasten gekümmert?« Seine Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass er sich darauf gefreut hatte, Parkplatz-Partys auf den Ladeflächen von Pick-ups zu improvisieren und zu Collegebällen zu gehen. Dachziegel auszubessern und Zimmer zu schrubben, stand bei ihm nun wirklich nicht auf dem Programm.
    Jo lehnte sich vor und tätschelte ihm mit der vernarbten Hand das Bein. »Lies dir die Unterlagen einfach durch, Jordy,
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