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Das Geheimnis der Heiligen Stadt

Das Geheimnis der Heiligen Stadt

Titel: Das Geheimnis der Heiligen Stadt
Autoren: Simon Beaurfort
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richten deswegen eine Bittschrift nach der anderen an den Patriarchen. Die Johanniter, unter deinem besonderen Freund Edouard de Courrances, sollen sich um kranke Pilger kümmern. Aber Courrances ist zuvorderst ein guter Kämpfer, und er marschiert auffällig in der Stadt herum, damit auch jeder erfährt, dass er mehr Krieger als Mönch ist. Und die Krönung all dessen ist die Tatsache, dass die Ungläubigen, unsere wahren Feinde, uns wegen der Kämpfe untereinander verlachen.«
    Geoffrey schmunzelte. »So ist es. Um ehrlich zu sein: Ich frage mich, ob es nicht langsam Zeit wird, von hier zu verschwinden und all das Gezänk hinter sich zu lassen.«
    Â»Aber du stehst im Dienste Tankreds«, merkte Hugo an. »Wie soll er ohne dich hier zurechtkommen? Du bist in dieser Schlangengrube Auge und Ohr für ihn.«
    Geoffrey schaute seinen Freund voller Schrecken an. »Das denkst du also? Dass Tankred mich als seinen Spion ansieht?«
    Hugo tat diesen Gedanken mit einer Geste ab. »Nicht im schändlichen Sinne. Aber keiner kann bestreiten, dass du für ihn nützlich bist. Doch du hast Recht, Geoffrey. Die Zeit für uns Krieger ist vorüber. Vielleicht sollten wir verschwinden und die Stadt den Machthungrigen überlassen, damit sie um Jerusalem feilschen können.«
    Â»Und dafür töten«, bemerkte Geoffrey. »So wie im Falle von John und Guido.«
    Hugo rieb sich die glatt rasierten Wangen und starrte ins Feuer. Als er wieder aufblickte, war Geoffrey eingeschlafen, die langen Beine bequem ausgestreckt. Die harten Linien seines Gesichts versanken unter den tanzenden Flammen in tiefen Schatten. Hugo lehnte sich im Stuhl zurück und betrachtete die asketische Gestalt seines Freundes: das nach Normannenart kurz geschorene Haar, das sauber rasierte Kinn und die kräftigen Hände mit den langen Fingern. Gerade wollte er sich erheben und zu seinem eigenen Zimmer im Stockwerk darüber gehen, als ein hartes Klopfen an der Tür ertönte.
    Geoffrey war schon auf den Füßen und hielt sein Schwert bereit, ehe Hugo überhaupt antworten konnte. Der blonde Ritter schüttelte leicht den Kopf. Er war fassungslos über Geoffreys Misstrauen. Geoffrey lächelte verlegen.
    Er öffnete die Tür und ließ Helbye ein.
    Â»Herr Tankred bittet um Euren Besuch«, sagte Helbye zögernd, denn er war eigentlich ein Mann des Krieges und kein Bote.
    Â»Jetzt?«, fragte Geoffrey ungläubig und warf durch das offene Fenster einen Blick in die Dunkelheit. »Es ist weit nach der Sperrstunde.«
    Â»Ja, jetzt«, meinte Helbye. »Er ist heute Abend zu Besuch im Palast des Patriarchen.« Er stockte und betrachtete die Glut in der Feuerstelle. »Diesmal geht es um mehr als nur die Wüsten-Patrouille. Ein Geistlicher wurde gerade tot aufgefunden. Der Mann, der die Leiche entdeckt hat, meinte, die Mordwaffe ist ein Krummdolch mit juwelenverziertem Griff.«

2. Kapitel
    G eoffrey wanderte allein durch die dunklen Gassen auf den stattlichen Palast zu, den der Patriarch für sich und sein beträchtliches Gefolge beschlagnahmt hatte. Er war wachsam, obwohl der Palast vom großen viereckigen Turm der Zitadelle nur ein kurzes Stück entfernt lag. Während der nächtlichen Ausgangssperre waren die Straßen leer, doch hier und dort bemerkte Geoffrey umherhuschende Schatten, und bei Nacht wirkte die Stadt noch angespannter als am Tag. Es war spät, und nach einem anstrengenden Tag ehrbarer Arbeit unter sengender Sonne sollten alle gottesfürchtigen Leute im Bett liegen. Aber die Stadt schlief nicht, und Geoffrey war sich nur allzu bewusst, dass sein Gang durch die dunklen Gassen von mehr als einem interessierten Beobachter verfolgt wurde.
    Geoffrey versuchte, an etwas anderes zu denken. Ihm kamen die wilden Gerüchte in den Sinn, die über den drei Wochen zurückliegenden Mord an Guido von Rimini unter den Kreuzfahrern kursierten. Es war jedem ein Rätsel, weshalb jemand den zurückhaltenden Italiener hatte töten wollen, und so war schon allerhand Leuten die Schuld an seinem vorzeitigen Ableben zugeschrieben worden: gottlosen Priestern der orthodoxen Kirche; dem energischen Orden der Benediktiner, der mit anderen Mönchen um Macht und Einfluss stritt; der kleinen jüdischen Gemeinde, die nahe der hoch aufragenden westlichen Mauern lebte und sich von den zankenden Christen so weit wie möglich fern hielt; und den wenigen
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