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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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dies an die große Glocke zu hängen. Und seien Sie versichert, daß ich meine Schuld stets im Gedächtnis behalte. Ich weiß, daß Menschen, die so diskret sind, wie Sie es sind, die Diskretion oft so weit treiben, daß bestimmte Dinge nicht einmal untereinander zur Sprache kommen. Verzeihen Sie, daß ich davon spreche, doch ich dachte, da Sie mir nun einmal die Gelegenheit gegeben haben, könne ich sie auch nutzen.«
    Bei alldem war mir ein wenig mulmig, um diesen lieben, altmodischen Ausdruck aus meiner Kindheit zu benutzen. So zog ich mich denn von gefährlichem Terrain zurück, indem ich meine Frage noch einmal wiederholte. »Doch wofür steht P. O. denn nun, wenn nicht für post office?«
    Doch seine Antwort erhöhte meine Verlegenheit eher noch, als daß sie sie minderte, und ich bereute es, daß ich das Thema überhaupt aufgebracht hatte.
    »P. O. steht für Probations-Offizier«, sagte er, »wie man einen Bewährungshelfer ja auch nennen könnte.«
    Und mit noch ruhigerer Stimme fügte er, als er bemerkte, daß ich um eine Antwort verlegen war, hinzu: »Doch eigentlich gehen die beiden Buchstaben auf die lateinische Bezeichnung zurück. Diese beschreibt die Aufgabe noch treffender, die schwierige Aufgabe, die auszuführen dieser bemerkenswerte Mann nun seine Zeit opfert.«
    Mehr sagte er nicht, und ich fühlte mich verpflichtet, aus Höflichkeit zu fragen: »Und wie lautet die lateinische Bezeichnung?«
    Als er mir antwortete: »pastor ovis«, war ich nicht klüger als zuvor – ich habe mein Latein ein wenig einrosten lassen. Außerdem verspürte ich eine gewisse Erleichterung, daß ich es nicht wußte und so durch das behütet wurde, was jemand den Schutz vor dem Schock der Gefühle genannt hat, den die Unkenntnis einer alten Sprache bietet.
    Ich fand es nicht notwendig zu sagen, daß ich es nicht verstand, und ich verbeugte mich und machte mich mit der Bemerkung: »Nun, das ist wohl treffend« davon, um ein gutes lateinisches Wörterbuch zu konsultieren, das sich im Hause befand.
    Unkundig, wie ich in solch schwerer Lektüre bin, machte ich doch bald die beiden entscheidenden Worte ausfindig und begriff sofort, wie vernünftig – wie immer – meine Ahnung gewesen war, die mich gewarnt hatte, daß wir uns an der Schwelle zu etwas befanden, daß sich als geradezu sentimental hätte erweisen können, etwas, dem ich mit meinem natürlichen guten Geschmack stets mit der größten Abneigung begegnet bin. Ich will nicht sagen, daß dergleichen tatsächlich Schaden anrichtet, wenn es jemandem hilft und wenn dieser Jemand, wie es dem armen Mr. Milium geschehen war, in eine Lage kommt, in der man sich in den Händen eines anderen findet, so verläßlich diese Hände auch sein mögen. Wenn Mr. Milium sich in einem Pferch sicherer fühlte, dann war das seine eigene Sache. Schließlich lebte es sich in einem solchen Pferch besser als in dem, was man in einschlägigen Kreisen das >Loch< nennt. Und da er eines von beiden wählen mußte, kann ich natürlich die Wahl nur gutheißen, die er traf. Gewiß waren Mr. M.s >Stecken und Stab< weitaus angenehmer als der Schlagstock eines Aufsehers. Doch mag Mr. Milium auch meinen, daß die Rolle des erfolgreich gebleichten schwarzen Schafes ihm stehe, so ist sie mit Sicherheit nicht die meine. Ob schwarz oder weiß oder ein bezauberndes Grau mit braunen Einsprengseln, ich möchte in diesem Trio weder der Heldenverehrer sein noch der bekehrte Wüstling, sondern das unschuldige Lamm.
    Doch will ich nicht auf einer so kleinlichen Note enden. Sowohl der Sommer als auch unser Trio erwiesen sich als höchst angenehm. Milium konnte alle Metaphysik, nach der ihm das Herz stand, mit Mr. M. bereden, und er tat es auch, und wenn er seine Seele erleichtert und der Meister sich zu seinen endlosen Studien zurückgezogen hatte, Studien über das, was Menschen alles tun, was für ein Durcheinander sie damit anrichten und wie schön es sein könnte, wenn sie täten, was sie tun sollten, was sie aber niemals tun werden, dann kam Mr. Milium zu mir, und mit mir unterhielt er sich über konkrete Dinge. Ich stellte fest, daß er wunderbar wohlinformiert über das war, was ich mittlerweile meine Epoche nannte, und er war stets bereit, mir bei der Ordnung der Materialien für mein Opus zu helfen und selbst weitere hinzuzufügen.
    Während die Tage verstrichen und dies bemerkenswerte Werk unter meinen Händen wuchs, konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß es nun nicht mehr lange dauern werde,
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