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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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kann fast sagen, Gewehr zu… nun, es von einem antiken Zierstück in eine tödliche Waffe hätte verwandeln können.«
    »Da haben Sie recht. In zwei Punkten haben Sie recht«, gestand er ein und blickte mich an, den Kopf fragend zur Seite geneigt – wie er es gern tut, um seine Überraschung über jemandes Scharfsinn zu verbergen. »Doch Sie übersehen den dritten Punkt.«
    Nachdem er sich solcherart wieder in den Sattel der Überlegenheit geschwungen hatte, fuhr er fort: »Der eigentliche Mechanismus war mit Sicherheit erst im neunzehnten Jahrhundert, vielleicht sogar noch später, gründlich überholt worden. Das war es – wir haben gehört, wie der Händler auf der Auktion, auf der sie zuletzt erworben wurde, darauf hinwies –, was die Waffe für ein Museum oder einen echten Antiquitätensammler wertlos machte. Sie studieren jene Epoche – das letzte Jahrhundert – natürlich nicht allzu gründlich, denn für Sie besitzt sie weder den Zauber des Antiken noch die Aktualität unserer Zeit. Sie liegt in jenem finsteren Tale, das man das Altmodische nennt. Doch für mich wird sie immer die Heimat meiner ersten Erinnerungen sein. Und wenn ich in jener höchst akkuraten und oft amüsanten Sittengeschichte, den Bänden des Londoner Charivari Punch blättere, mit dem wir uns vor der Ära des Kinos nicht ohne Gewinn die Abende zu vertreiben pflegten, dann sehe ich, daß dieses Blatt zu den Zeiten, als es noch beinahe radikal war, eine Karikatur brachte, in der die junge Königin Viktoria dafür getadelt wurde, daß sie und ihre Damen von einer Art Konzertpavillon aus auf Wild geschossen hätten, das vorbeigetrieben wurde. Und da sie, wie Sie uns dargelegt haben, ja niemals den Langbogen hätten spannen können und die Jagdwaffen jener Zeit so viel Rückschlag hatten und so viel Lärm machten, daß den Damen schwarz vor Augen geworden wäre und ihre lilienweißen Schultern< Schaden genommen hätten, zeigt die Illustration die Damen von königlichem und adligem Geblüte bewaffnet mit einer lautlosen und doch tödlichen Waffe, der Armbrust.
    Sie sehen also, mit einer so präzisen und kraftvollen Waffe von einer solch hohen, so abgeschirmten Warte auf das… Wild zu schießen, wie Jäger es von getarnten Schießständen im Dschungel tun – nun, der Ausgang war so gewiß, daß es, wie man zu sagen pflegt, ein Kinderspiel war. Man mußte nur dort oben Position beziehen, über Schaft und Lauf der Waffe hinweg das Zielloch, das in das Laubendach geschnitten war, anvisieren, warten, bis die weiße Jacke sich zeigte und einem genau die Stelle wies, an der das Herz lag (und, so möchte ich hinzufügen, das Gesicht des Mannes, der… exekutiert werden sollte, blieb ja gnädigerweise verborgen); dann brauchte man nur noch zu sagen: >Es schmerzt nicht, Petus< und den Abzug zu betätigen. So schickt man das Papiermesser seinem Eigentümer zurück, von dem man es sich geborgt hat, als man den Sueton auf seinen Beistelltisch legte, während er am zweiten Tisch mit seiner Schokolade beschäftigt war, mit dem Getränk, das sein Viatikum werden sollte.«
    »Aber« – wiederum bestand ich, der ich auf Fakten aus war, auf vollständiger Information – »aber was Sie beschrieben haben, war eine Waffe von ungeheurer Kraft, mit einer monströsen Stahlfeder; Sie haben gesagt, sie ließ sich nicht von Hand spannen. Sie sind uns noch die Erklärung schuldig, wie der… Täter sie lud.«
    »Dies hier«, antwortete er und nahm den Drahtspanner der Dachdecker auf, »dies war der letzte Beweis. Das ist genau die Art von Hebel, mit der solch kleinere Armbrüste gespannt wurden – die größeren hatten eine Winde. Alles was ich nun noch finden mußte, war die Armbrust selbst. Natürlich hatte derjenige, der damit schoß, sie auf der Stelle vernichtet. Ja, die Eile, mit der er das verräterische Indiz beseitigte, war so groß, daß er nicht daran dachte, den Spanner ebenfalls verschwinden zu lassen – obwohl dieser bei niemandem Verdacht hätte erregen sollen, denn es war ja bekannt, wozu er diente und wie er auf das Dach gekommen war. Es war kein großes Risiko, ihn dort oben zu lassen. Wir statteten also dem Garten einen Besuch ab, und natürlich war von der Armbrust nichts mehr übriggeblieben außer der Feder. Doch die war so rußgeschwärzt und hatte im Feuer so sehr ihre Spannung verloren, daß auch bei ihr, sollte sie gefunden werden, niemand Verdacht geschöpft hätte. Jeder, der der Sache nachgegangen wäre, hätte Ihnen mit Ihrer
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