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Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman

Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
Autoren: Anke Bracht
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inne und versuchte, sich zu sammeln. Dann stemmte er beide Hände in die Seiten, wippte herausfordernd auf seinen Schuhspitzen hin und her und sprach in herrischem Ton:
    »Ruhe da, ihr Burschen. Was ist hier los?«
    Die beiden Raufbolde ließen auf der Stelle voneinander ab. Fast erschrocken stoben sie auseinander. Es waren zwei junge Kerle; dem einen blutete die Nase, der andere hatte seine Kopfbedeckung bei der Rangelei im Sand verloren und bemühte sich sichtlich angestrengt, sie wieder sauber zu klopfen. Beide vermieden es, dem Stadtvogt in die Augen zu blicken. Martini spitzte die Lippen und sog langsam die Luft ein, was einen leisen Pfeifton erzeugte. Den einen der Jungen kannte er, es war der Sohn des Bäckers. Wahrscheinlich hatte ihm sein Vater mit Prügeln gedroht, wenn er keinen guten Platz für seinen Stand bekäme. Wäre ja nicht das erste Mal, dachte Martini und erinnerte sich daran, dass er Rocco schon oft mit blauen Striemen auf Armen und Beinen gesehen hatte. Er schaute den Halbwüchsigen streng an, und dieser zuckte unter dem Blick zusammen wie ein Hund, der Angst hat vor dem nächsten Schlag. Er nickte dem Bäckersohn zu, dann wandte er sich an den anderen Burschen, der immer noch den Staub von seiner schäbigen Wollkappe klopfte.
    »Wie heißt du?«, dröhnte Martinis Stimme.
    »Benedetto«, war die Antwort. Dann schwieg der junge Mund, und Martini sah die dunklen Augen unter den schwarzen Stirnfransen aufblitzen. Stolz reckte der Junge dem Vogt sein Kinn entgegen. Aber er sagte nichts mehr. Die Mütze hielt er mit beiden Händen vor seinem Bauch und drehte sie unablässig.
    »Gehörst du zu den Gauklern?«
    »Nein.«
    Wieder Schweigen.
    »Pass auf, Bürschchen.«
    Martini machte einen Schritt auf Benedetto zu, der nicht vom Fleck wich. Drohend zeigte er auf den Jungen und sagte gefährlich leise, dass nur der Angesprochene es hören konnte:
    »Ich bin der Stadtvogt, und ich kenne dich nicht. Wenn du mir nicht auf der Stelle sagst, was das hier eben sollte, wer du bist und woher du kommst, dann lasse ich dich von meinem Diener so lange durchprügeln, bis die Gaukler weiterziehen. Haben wir uns verstanden?«
    Martini trat ein Stück zurück und wartete auf eine Reaktion. Er wunderte sich, wie ruhig und unerschrocken dieser Junge war. Fünfzehn Jahre mochte er alt sein, wenn überhaupt. Seine Haut hatte nur einen leichten Bronzeton, wie bei Menschen, die wenig an der frischen Luft sind. Seine Hände aber, die noch immer die Mütze drehten, zeugten von harter Arbeit. Er ging einen Schritt zur Seite, um sich diesen jungen Kerl genau anzusehen. Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete er Rocco, der immer noch an derselben Stelle stand, die Schultern eingezogen, den Blick auf ihn geheftet.
    »Ich komme aus Lucca. Ich arbeite in der Küche des Conte. Ich bin … Küchenjunge. Und ich bin hier, weil ein Mädchen unter den Gauklern ist, das ich wiedersehen wollte. Sie ist wunderschön, Herr.«
    Benedettos Augen leuchteten, und Martini sah die wohlgeformten Lippen des Burschen vor Erregung zittern. Ein verliebter Narr. Dabei war er – genau wie Rocco – immer noch mehr Kind als Mann.
    »Und um sie zu sehen, hast du den weiten Weg gemacht? Was sagt deine Herrschaft dazu?«
    Der Stadtvogt war verblüfft. Sein Ärger verflog langsam. Immer diese Frauen, dachte er. Benedetto grinste breit.
    »Die merken nichts. Alles gut geplant.«
    Er schien stolz auf sich zu sein.
    Dieser selbstgefällige Ausdruck machte den Vogt wütend, denn wenn Martini eines nicht ausstehen konnte, dann Hoffärtigkeit.
    »Ach. Gut geplant. Und den Sohn des Bäckers zu verprügeln gehörte auch zu deinem Plan, he?«
    Benedetto schüttelte das ungekämmte schwarze Haar. Dann zischte er in Martinis Richtung:
    »Die kleine Kröte geht mir nicht vom Leib. Er winselt hinter mir her, seit ich hier angekommen bin. Er liegt mir in den Ohren, ihn mitzunehmen, mit nach Lucca. Einen wie ihn – pah!«
    Martini blickte fragend zu Rocco, der über und über errötete. Er konnte sich denken, warum der Bäckersohn von hier fortwollte, und er wusste instinktiv, dass der fremde Junge die Wahrheit sprach. In Roccos Augen sammelten sich Tränen. Der Stadtvogt überlegte nicht lange. Entschlossen blickte er von einem Burschen zum anderen.
    »Lass uns ein Geschäft machen, Benedetto«, sagte er leise und trat wieder auf den Küchenjungen zu. »Ich lasse dich gewähren, solange du magst. Such dein Mädchen. Aber wenn du gehst, nimmst du Rocco mit. An den Hof.
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