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Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman

Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
Autoren: Anke Bracht
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erleiden. Wenn sie an den Moment dachte, an dem dieses blaurote leblose Wesen aus ihr herausgeschlüpft war, grauste sie sich immer noch. Diesmal würde es bestimmt gutgehen, diesmal würde sie ein lebendes Kind zur Welt bringen. Und morgen, dachte Anna, bevor sie einschlief, morgen gehe ich nach Lucca. Dann wird alles gut.

3. KAPITEL
    O bwohl es früh am Morgen war, herrschte in dem Marktflecken Grosseto schon reges Treiben. Die Sonne stand noch tief, doch der Tau war getrocknet, und wer in den wolkenlosen Himmel sah und die Zeichen deuten konnte, der wusste, es würde ein heißer Tag werden. Hinter den verschlossenen Läden der aneinandergedrängten Häuser waren laute Stimmen zu hören, blechernes Kochgeschirr klapperte in den Händen der schrill keifenden Weiber, kleine Kinder plärrten, und die wenigen Hunde, die es hier gab, streunten unruhig in den engen, schmutzigen Gassen umher. Allgemeine Erregung schwebte über Grosseto, alles schien in bienenartiger Betriebsamkeit zu sein, Vorfreude und Zuversicht lagen in der Luft. Aus einem einfachen Grund. Die Gaukler waren wieder in der Stadt.
    Erst am Vorabend hatten sie am Stadttor um Einlass gebeten, und nun, über Nacht, war der Platz hinter der Kirche in einen bunten, fröhlichen Ort der Geselligkeit und des Lachens verwandelt. Die Marketender ließen sich die Aussicht auf gute Geschäfte nicht entgehen und bauten ihre Stände dicht bei der Wagenburg der Fremden auf. Für die nächsten Tage würde Grosseto der Mittelpunkt der gesamten Umgegend sein, viele Besucher würden sich hier einfinden, um zu handeln, um Freunde zu treffen und um die Gaukler zu sehen. Die Menschen würden für wenige Stunden ihr hartes Leben in der Maremma vergessen und sich amüsieren. Die Scudos würden nur so klingeln in den Lederbeuteln, und da vergaßen die Handwerker und Kaufleute gern ihre Verachtung für diese Menschen, die sich selbst genug waren und nicht daran dachten, sich in das Leben der hiesigen Gemeinschaft einzufügen. Im Gegenteil. Kaum ein Aufenthalt der Gaukler war bislang ohne einen Vorfall vergangen, und nur die Tatsache, dass fast jeder angesehene Bürger in Grosseto schon einmal die Bekanntschaft der Liebeskunst ihrer glutäugigen Hexenweiber gemacht hatte, ließ sie alle wie unter einem unausgesprochenen Pakt darüber schweigen.
    Der Stadtvogt, an solchen Tagen immer früh auf den Beinen, um nichts zu verpassen und sich als Autorität zur Schau zu stellen, schritt energisch und kraftvoll den Marktflecken ab. Seit ihrem letzten Halt schien sich die Zahl der Gauklerwagen fast verdoppelt zu haben, und dieses Mal waren auch viel mehr Tiere im Tross. Sogar zwei Pferde waren darunter. Martini nahm sich vor, in einem unbemerkten Moment nach Brandzeichen oder anderen Malen zu suchen, die über den wahren Besitzer dieser zugegeben schönen Tiere Auskunft gaben, denn das war klar: Keiner von ihnen konnte ein edles Pferd wie diese beiden hier bezahlen. Da reichte die Gaunerei eines ganzen Zigeunerlebens nicht aus, um so viele Silberlinge zusammenzuraffen.
    Der Vogt blickte sich um, hatte er doch gerade hinter sich ein knackendes Geräusch vernommen. Doch da war nichts. Über seine eigene Furchtsamkeit belustigt trat er gut gelaunt nach einem Stein und schritt weiter. Diese Gaukler waren ihm nicht ganz geheuer. Ein merkwürdiges Völkchen, kleine flinke Menschen mit dunklen gescheiten Augen und dickem schwarzen Haar, schienen sie alle wieselgleich überall und nirgends zu sein und die Sinne zu narren. Da hieß es, sich in Acht zu nehmen und den vielen Reizen – auch der Lust – zu widerstehen. Wie oft war es schon geschehen, dass ein hoher Würdenträger der Stadt nach einer Liebesnacht ohne Wams und ohne einen einzigen verdammten Scudo wieder aufgewacht war. Selbst dem armen Pfarrer war es vor zwei Jahren passiert. Bei der Erinnerung daran, wie der fromme Mann nackt, wie Gott ihn schuf, und besinnungslos vor Trunkenheit am Altar seiner Kirche aufgefunden worden war, musste der Stadtvogt breit grinsen. Immer diese Doppelmoral. Auch Priester waren nur Männer, und wer konnte besser verstehen als er, Pietro Martini, dass diese glutäugigen Zigeunerweiber mit ihren schmalen Hüften und den vollen, fordernden Lippen jeden Mann um den Verstand bringen konnten, wenn sie nur wollten. Der arme Pfarrer war zwar schnell wieder nüchtern geworden, aber die Male an seinem Körper hatten lange und unmissverständlich von einer wilden Umarmung gezeugt. Erst ein Bittgang nach Rom im
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