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Das gefrorene Licht. Island-Krimi

Das gefrorene Licht. Island-Krimi

Titel: Das gefrorene Licht. Island-Krimi
Autoren: Yrsa Sigurðardóttir
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das Fass zum Überlaufen bringen, wenn Gylfi seine Schwiegereltern nicht informierte. »Ich komme so schnell ich kann«, sagte Dóra. »Haltet euch bereit. Wenn sie Sigga abholen wollen, dann sollen sie das tun. Du entscheidest, ob du mit ihnen oder mit mir fährst, aber Sóley kommt mit mir.« Sie legte auf und zog ihren Rock an. Entgegen ihrer Gewohnheit hatte sie sich chic gemacht, mit hochhackigen Schuhen und allem Drum und Dran. Sie hatte am gestrigen Abend Lust auf etwas Besonderes gehabt, um die Lösung des Falls zu feiern und ihr Zusammensein mit Matthias zu genießen, bevor er wieder nach Hause fuhr. Dóra betrachtete die Nylonstrumpfhose über dem Fernseher und beschloss, sich lieber hineinzuquälen, als ihre schneeweißen Beine zu zeigen.
    »Matthias«, flüsterte Dóra und stieß ihn sanft an, »ich muss los, Sigga bekommt ihr Baby.«
    Matthias, der auf dem Bauch lag, hob sein Gesicht vom Kopfkissen und schaute sie schlaftrunken an. »Was?«
    »Ich muss ins Krankenhaus«, wiederholte sie. »Ich rufe dich an.«
    Dóra fuhr schneller nach Hause als üblich. Als sie in die Einfahrt bog, schmunzelte sie im Stillen darüber, mit welcher Ahnungslosigkeit Gylfi und Sigga über die Geburt gesprochen hatten. Sigga hätte demnach wahlweise in der Badewanne, stehend in freier Natur oder stumm, wie die Frau von Tom Cruise, gebären sollen, je nachdem, welchen Artikel sie gerade im Internet gelesen hatten. Nach der ersten Stunde hatten sich die beiden geweigert, weiter an dem Schwangerschaftskurs teilzunehmen. Die Hebamme hatte sich sehr aufgeregt, als Sigga gefragt hatte, ob im Kreißsaal MTV laufen würde. »Ich bin da!«, rief Dóra beim Eintreten, wurde aber von Siggas Schmerzensschreien übertönt. So würde sie bestimmt nicht bei Scientology aufgenommen werden.
    »Es stimmt was nicht!«, schrie Gylfi, als er seine Mutter erblickte. »Das Kind liegt wahrscheinlich auf der Seite.«
    »Das ist nicht das Problem«, entgegnete Dóra. »So ist das nun mal. Leider.« Sie ging zu Sigga, die schmerzverkrümmt am Esstisch saß.
    »Es ist bestimmt wegen ihrer schmalen Hüften«, sagte Gylfi voller Panik. »Alle sagen, dass es total schwer ist, so zu gebären.«
    »Die Hüften bilden bei der Sache nicht den Flaschenhals, Gylfi. Der liegt weiter unten.« Sie beugte sich zu Sigga. »Versuch, ruhig zu atmen, Liebes«, sagte sie. »Komm, wir gehen zum Auto. Hast du schon Wasser verloren?«
    Sigga hob den Kopf und schaute Dóra verständnislos an. »Welches Wasser?«
    »Gehen wir!« Dóra klatschte in die Hände. »Ihr werdet das alles gleich erfahren.« Sie stützte Sigga auf dem Weg nach draußen, während Gylfi vor ihnen herlief und die Wagentür öffnete. Sóley folgte ihnen schläfrig, ohne sich richtig darüber im Klaren zu sein, was eigentlich los war. »Wenn sie dir eine PDA anbieten, Sigga, dann sagst du einfach ja. Das ist in Mode«, erklärte Dóra und half ihr, sich auf den Rücksitz des Jeeps zu legen. Sie hatte zwar entschieden, den Jeep und den Wohnwagen zu verkaufen, um ihre Schulden loszuwerden, aber der Jeep war größer und geräumiger als ihre alte Karre. Dóra sprang hinters Steuer und drehte den Zündschlüssel. Als sie gerade rückwärts die Einfahrt verlassen hatten, stieß Sigga einen so lauten Schrei aus, dass Dóra abrupt bremste. Gylfi und sie schauten nach hinten.
    Dóra seufzte. Sie würde mit dem Preis des Jeeps runtergehen müssen; der Rücksitz war mit Fruchtwasser durchtränkt.
     
    Sóley ließ die Füße baumeln. Im Wartezimmer gab es nicht viel, womit sie sich beschäftigen konnte. Dóra wunderte sich darüber, wie geduldig und brav sie war, vor allem, wenn man bedachte, dass sie seit fast drei Stunden in dem kleinen Raum warteten. Die Warterei wurde auch dadurch nicht amüsanter, dass Siggas Vater bei ihnen saß. Er redete nicht viel, aber sein Mienenspiel sagte alles. Daher war Dóra froh, als ihr Handy die Stille durchbrach. Sie ging damit hinaus auf den Flur.
    »Hallo Dóra, hier ist Lára aus Snæfellsnes. Die Oma von Sóldís«, erklang die gesetzte, angenehme Stimme der alten Dame. »Hoffentlich störe ich dich nicht.«
    »Nein, überhaupt nicht«, sagte Dóra. »Schön, von dir zu hören. Ich wollte dich auch anrufen. Leider habe ich es nicht mehr geschafft, dich vor meiner Abreise zu treffen.« Es war fünf Tage her, seit die Polizei Bertha und Steini festgenommen hatte, und Dóra war vollauf damit beschäftigt gewesen, den Fall abzuschließen und die liegengebliebenen Sachen im
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