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Das Geflecht

Das Geflecht

Titel: Das Geflecht
Autoren: Andreas Laudan
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Ihnen nur die medizinischen Fakten darlegen. In jedem Fall möchte ich Sie alle in vierzehn Tagen zur Nachuntersuchung sehen.»
    «Geht klar», bestätigte Tia. «Ach übrigens – haben Sie den Bericht der Forschungsabteilung über den Pilz? Er würde mich sehr interessieren.»
    «Das dachte ich mir.» Der Arzt lächelte. «Ich habe Ihnen eine Kopie gemacht.» Er drückte Tia ein paar zusammengeheftete Blätter in die Hand und erhob sich. «Aber jetzt will ich die Besuchszeit nicht länger unterbrechen. Schönen Abend Ihnen allen!»
    Er grüßte in die Runde. Tia wartete, bis er den Raum verlassen hatte, dann wandte sie sich Justin zu.
    «Ich ahne, wie schwierig die Situation für Sie sein muss,Justin. Aber ich verspreche Ihnen, dass ich so günstig wie möglich für Ihren Vater aussagen werde. Er ist kein schlechter Mensch, und letzten Endes hat er sich von seinem Komplizen losgesagt und zu unserer Rettung beigetragen.»
    «Komische Vorstellung, ihn in der Untersuchungshaft besuchen zu müssen», meinte Justin beklommen. «Falls es überhaupt dazu kommt. Er liegt immer noch in Bad Hertzau im Krankenhaus, und die Ärzte sagen, dass er nicht vernehmungsfähig ist. Der Pilz hat ihm schwerer zugesetzt als uns.»
    «Kein Wunder. Er hat ja auch mehrere Stunden in dieser Schlammgrube gesteckt.»
    «Der eigentlich Schuldige bin ich! Ich hatte die Idee zu dieser blöden Abenteuer-Party, ich habe den Schlüssel geklaut und die anderen überredet   …» Justin seufzte. «Der Leichtsinn scheint bei uns in der Familie zu liegen.»
    «Quäl dich nicht!», tröstete Dana. «Letztlich ist niemandem etwas passiert. Selbst Finn ist wieder auf den Beinen – na ja, nicht buchstäblich», schränkte sie ein. «Er trägt natürlich noch einen Gips.»
    «Machen Sie sich keine Vorwürfe, Justin!», stimmte Tia ihr zu. «Dummheiten machen wir alle einmal. Als ich neun Jahre alt war, bin ich in eine Kalksteinhöhle geklettert und habe erst nach zwölf Stunden wieder herausgefunden – meine arme Großmutter war halb wahnsinnig vor Angst und hatte schon die Polizei alarmiert.»
    «Aber dann war ich auch noch so blöd, in den Schacht zu springen», sagte Justin kopfschüttelnd, «weil ich glaubte, ich könnte Dana helfen   …»
    «Das war nicht blöd», stellte Tia richtig. «Es war unüberlegt – aber auch sehr, sehr mutig.»
    «Das finde ich auch», sagte Dana leise. «Es war   … romantisch.»
    Eine kurze Stille trat ein, und Tia glaubte zu fühlen, dass Justin und Dana einen verliebten Blick tauschten.
    Carolin räusperte sich leise. «So, vielleicht sollte ich jetzt besser gehen. Mein Interview habe ich ja in der Tasche.»
    «Ja, wir sollten das junge Glück nicht länger stören», stimmte Leon grinsend zu.
    «Aber wir sehen uns doch wieder, oder?», fragte Dana fast erschrocken.
    «Natürlich bleiben wir in Kontakt», beruhigte sie Tia. «Erstens möchte ich sicher sein, dass es Ihnen beiden gut geht – und zweitens, Dana, schulde ich Ihnen ein chinesisches Essen. Wissen Sie noch?»
    Dana schwieg beschämt. «Äh   …», druckste sie, «also, eigentlich habe ich gerade eine Diät angefangen   …»
    «Die hundertfünfundneunzigste», grinste Justin. «Ich versuche noch, es ihr auszureden.»
    Tia tastete nach Danas Hand, ergriff sie und zog das Mädchen an sich.
    «Vergessen Sie Ihre Diät, Dana!», sagte sie sanft. «Sie haben gerade Schreckliches durchgestanden und dabei Tapferkeit und Kraft bewiesen. Glauben Sie wirklich, dass Sie sich verändern müssen? Haben Sie immer noch nicht begriffen, was für ein wundervoller Mensch Sie sind?»
    Dana schwieg, doch Tia hörte, wie sie leise schluckte.
    «Möchten Sie nicht mit mir essen gehen? Ein Mädchen-Abend zu zweit?»
    «Doch», flüsterte Dana. «Das würde ich wirklich gerne.»
    «Abgemacht.» Tia küsste sie auf die Stirn. «Ich melde mich.»
    Carolin Frey begleitete Tia und Leon nach draußen. Auf dem Vorplatz der Klinik blieb sie stehen, um sich zu verabschieden.
    «Ich hoffe, Ihr Angebot gilt auch für mich.»
    Tia wandte sich ihr erstaunt zu. «Welches Angebot?»
    «Dass wir in Kontakt bleiben.»
    «Ach, so ist das!» Tia lachte. «Sie sind immer noch hinter einem ausführlichen Interview her?»
    «Ach kommen Sie, das ist unfair!», beschwerte sich Carolin. «Natürlich hätte ich nichts lieber als ein Interview mit Ihnen, aber das ist nicht die Hauptsache. Ich habe mir eine ganze Nacht vor diesem Bergwerk um die Ohren geschlagen, und das Schicksal der Beteiligten
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