Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Fremde Mädchen

Das Fremde Mädchen

Titel: Das Fremde Mädchen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
länger. Einige unter den Brüdern, dachte Cadfael, wären erschrocken und ungläubig gewesen, hätten sie sehen können, welche gemessene, väterliche Fürsorge der sonst so strenge und förmliche Abt an den Tag legen konnte.
    Ein erleichtertes Gewissen und einen ehrbaren Tod, das war es, was Haluin wünschte. Es war zu spät, um dem Sterbenden eine Buße aufzuerlegen. Die Behaglichkeit des Sterbebettes hat keinen Preis, sie ist ein Geschenk.
    »Ein gebrochenes und ein bußfertiges Herz«, sagte Radulfus, »ist das einzige Opfer, das Euch auferlegt wurde, und es wird nicht verachtet werden.« Er gab ihm die Absolution und seinen feierlichen Segen und verließ das Krankenzimmer. Er winkte Cadfael zu sich hinaus. Erloschen war jetzt die Dankbarkeit, die in Haluins Gesicht aufgeflammt war, Erschöpfung übermannte ihn, und das Feuer in seinen Augen war zwischen den halb geschlossenen Lidern erstorben, während er zwischen Bewußtlosigkeit und Schlaf schwebte.
    Im Vorraum wartete Rhun geduldig. Er hatte sich etwas zurückgezogen, um nicht wider Willen doch ein Wort der Beichte zu hören.
    »Geht hinein und setzt Euch zu ihm«, sagte der Abt. »Er wird jetzt schlafen, und er wird keine schlechten Träume haben.
    Sollte sich sein Zustand ändern, dann könnt Ihr Bruder Edmund holen. Und wenn Bruder Cadfael gebraucht wird, dann könnt Ihr ihn in meinen Gemächern erreichen.«
    Im holzvertäfelten Sprechzimmer in der Wohnung des Abtes saßen sie beisammen, die einzigen, die je von dem Vergehen erfahren würden, das Haluin sich selbst zur Last gelegt hatte, die einzigen, die unter vier Augen über die Beichte sprechen durften.
    »Ich bin erst seit vier Jahren hier«, begann Radulfus unvermittelt, »und weiß nichts von den Umständen, unter denen Haluin zu uns kam. Anscheinend gehörte es anfangs zu seinen Pflichten, Euch bei den Kräutern zu helfen, und dort erwarb er das Wissen, das er so mißbrauchte. Ist es sicher, daß der Trank den Tod herbeiführte? Oder kann es wirklich ein Fieber gewesen sein, an dem sie starben?«
    »Wenn die Mutter des Mädchens ihr das Mittel gab, dann gibt es kaum einen Irrtum«, sagte Cadfael traurig. »Ja, ich weiß, daß Ysop tödlich sein kann. Es war dumm, ihn auf Lager zu halten, denn er kann durch andere Kräuter ersetzt werden.
    Aber in kleinen Dosierungen sind das Kraut wie die Wurzel, getrocknet und zu Pulver gemahlen, gut für die Gelbsucht, und zusammen mit Andorn helfen sie bei Brustbeschwerden. Die blau blühende Sorte ist milder und besser. Ich weiß wohl, daß Frauen das Kraut in großen Dosierungen hin und wieder zur Abtreibung benutzen. Kein Wunder, wenn manchmal ein armes Mädchen stirbt.«
    »Das ist doch sicher während seines Noviziats geschehen, denn er kann noch nicht lange hier gewesen sein, wenn das Kind, wie er vermutet, von ihm war. Er war doch selbst noch ein Junge.«
    »Gerade achtzehn, und das Mädchen war sicher nicht älter, wenn überhaupt. Es muß eine Folter gewesen sein«, sagte Cadfael nun, »wenn sie im gleichen Haus lebten und einander jeden Tag sahen. Sie waren von gleichem Stand, denn er kommt aus einer angesehenen Familie, und die beiden waren sicherlich offen für die Liebe wie die meisten Kinder. Wirklich«, meinte Cadfael wohlwollend, »ich frage mich, warum seine Werbung abgelehnt wurde. Er war ein Einzelkind, er hätte ein großes Anwesen geerbt, wenn er nicht die Gelübde abgelegt hätte. Und er war ein angenehmer Junge, wie ich mich erinnere, belesen und begabt. Manch ein Ritter hätte ihn als gute Partie für seine Tochter willkommen geheißen.«
    »Vielleicht hatte der Vater bereits andere Pläne mit ihr«, wandte Radulfus ein. »Er könnte sie schon in ihrer Kindheit einem anderen versprochen haben. Ihre Mutter wird dann nicht gewagt haben, sie in Abwesenheit des Vaters einem anderen Mann zu geben, wenn sie solche Angst vor ihm hatte.«
    »Sie hätte den Jungen aber nicht völlig abweisen müssen.
    Wenn sie ihm die Hoffnung gelassen hätte, dann hätte er sicher gewartet und nicht versucht, die Heirat mit dem Mädchen zu erzwingen. Vielleicht tue ich ihm damit aber auch Unrecht«, besann Cadfael sich. »Es war wohl keine Berechnung, denke ich, die ihn zu dem Mädchen ins Bett schlüpfen ließ, einfach nur hitzige Zuneigung. Haluin ist keiner, der lange Pläne schmiedet.«
    »Nun, wie dem auch sei«, meinte Radulfus mit müdem Lächeln, »es ist geschehen und kann nicht ungeschehen gemacht werden. Er war nicht der erste und gewiß nicht der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher