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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus
Autoren: Sophie Hannah
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es erst mal hat.«
    »Manchmal hört man schon vorher auf, es zu wollen«, sagte Gibbs.
    »Ja? Ich nicht.«
    »Der – wie hast du es noch mal genannt – motivierende Kummer meiner Frau Debbie ist, dass sie keine Kinder bekommen kann. Ich habe aufgehört, ein Kind zu wollen.«
    »Und sie?«, fragte Olivia.
    »Nein.« Wenn es nur so wäre.
    »Na, da hast du’s. Du wolltest wahrscheinlich nie unbedingt eins.«
    »Komm mit mir nach oben«, sagte Gibbs.
    »Nach oben?«
    »In mein Zimmer. Oder in deins.«
    »Warum?«, fragte Olivia.
    »Was glaubst du wohl?« Was soll das denn? Bist du total behämmert? Erkennst du eine schlechte Idee nicht, wenn du sie hast?
    »Warum?«, wiederholte sie.
    »Ich könnte sagen: ›Weil ich ausnahmsweise mal Sex mit einer Frau haben will, die nicht besessen davon ist, schwanger zu werden.‹ Oder ich könnte sagen: ›Weil ich besoffen und geil bin‹ oder ›Heute ist ein besonderer Anlass und morgen fängt das normale Leben für uns beide wieder an‹. Oder wie wär’s mit: ›Weil du die schönste, begehrenswerteste Frau bist, die mir je begegnet ist?‹ Riskant – du könntest mir nicht glauben.«
    Olivia runzelte die Stirn. »Idealerweise solltest du die Antwortoptionen stumm durchgehen, in der Privatheit deines eigenen Kopfes. Du solltest sie nicht laut aussprechen.«
    In der Privatheit deines eigenen Kopfes. Es war wegen der Dinge, die sie sagte. Obwohl er ihr das nie verraten würde. Er nahm ihr das Glas aus der Hand und stellte es auf den Tisch. »Sag ja«, sagte er. »Es ist ganz leicht.«

3
    S AMSTAG , 17. J ULI 2010
    »Warum wollten Sie Simon Waterhouse sprechen?«, fragt der Polizist, der Sam heißt. Er hat irgendeinen langen, ungewöhnlichen Nachnamen, der mit K anfängt – er hatte ihn für mich buchstabiert, als er sich vorstellte. Ich hatte es nicht mitbekommen und wollte ihn nicht bitten, es zu wiederholen. Er ist hochgewachsen, sieht gut aus, hat schwarzes Haar und einen dunklen Teint. Er trägt einen schwarzen Anzug und ein weißes Hemd mit lila gestickten Streifen, die aussehen wie Perforationslinien. Keine Krawatte. Ich kann nicht aufhören, seinen Adamsapfel anzustarren. Er wirkt, als wäre er scharf genug, um die Haut zu durchtrennen. Ich male mir aus, wie er seinen Hals durchschneidet und eine Blutfontäne herausspritzt. Ich schüttle den Kopf, um die morbide Fantasie zu verscheuchen.
    Will er, dass ich es ihm noch einmal erzähle? »Ich habe eine Frau gesehen, die mit dem Gesicht nach unten –«
    »Sie missverstehen mich«, unterbricht er mich, mit einem Lächeln, das zeigen soll, dass die Bemerkung nicht unhöflich gemeint war. »Ich meinte, warum wollten Sie ausgerechnet mit Simon Waterhouse sprechen?«
    Kit ist in der Küche und macht Tee für uns alle. Ich bin froh darüber. Es würde mir schwerer fallen, die Frage zu beantworten, wenn er zuhörte. Wenn ich mich nicht so furchtbar fühlen würde, könnte das Ganze witzig sein, wie irgendein absurdes Theaterstück: »Der Polizist, der zum Tee kam.« Es ist erst halb neun, wir sollten ihm Frühstück anbieten. Es ist nett von ihm, dass er so früh am Morgen gekommen ist. Vielleicht wird Kit ein paar Croissants mitbringen. Wenn nicht, werde ich es nicht anbieten. Ich kann an nichts anderes denken als an die Tote. Wer ist sie? Weiß irgendjemand außer mir, dass sie ermordet wurde, interessiert es irgendjemanden?
    »Ich bin seit einem halben Jahr bei einer Homöopathin. Ich habe ein paar geringfügige gesundheitliche Probleme, nichts Ernstes.« War es nötig, ihm das zu erzählen? Ich unterlasse es hinzufügen, dass diese Probleme mit meiner emotionalen Gesundheit zu tun haben und meine Homöopathin auch psychologische Beraterin ist. Mein Wunsch, der Wahrheit auszuweichen, macht mich wütend – auf mich selbst, auf Kit, Sam K., auf alle und jeden. Es ist keine Schande, mal mit jemandem reden zu müssen.
    Warum schämst du dich dann deswegen?
    »Alice – das ist meine Homöopathin – hat vorgeschlagen, dass ich mit Simon Waterhouse spreche. Sie hat gesagt …« Sprich es nicht aus. Du wirst ihn gegen dich aufbringen.
    »Reden Sie weiter.« Sam K. tut sein Bestes, freundlich und unbedrohlich zu wirken.
    Ich beschließe, seine Bemühungen mit einer ehrlichen Antwort zu belohnen. »Sie hat gesagt, er sei anders als andere Polizisten. Sie sagte, er würde das Unglaubliche glauben, solange es wahr sei. Und es ist wahr. Ich habe in diesem Zimmer eine tote Frau liegen sehen. Ich weiß nicht, warum es … warum die
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