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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus
Autoren: Sophie Hannah
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Waterhouse nur einmal begegnet, bei der Verlobungsfeier. Sie hatte einen schüchternen, bescheidenen Eindruck gemacht – jemand, der mit dem Hintergrund verschmolz. Gibbs begriff nicht, warum ihr nicht erlaubt worden war, an der Hochzeit ihres Sohnes teilzunehmen und warum es so wichtig war, dass sie nicht herausfand, wo er die Flitterwochen verbrachte.
    »Ich werde jede Frage beantworten, nur diese nicht.« Olivias Stimme klang entschuldigend. »Tut mir leid, aber Charlie hat es mich schwören lassen.«
    »Andere Fragen stelle ich nicht. Das ist die Frage, die ich stelle, und ich werde sie weiter stellen. Obwohl ich zu wissen glaube, wo sie sind. Dazu braucht man kein großes Genie zu sein.«
    »Das kannst du unmöglich wissen, es sei denn, du bist Hellseher.« Olivia wirkte besorgt.
    »Du hast eben was von ›in den Flieger gestiegen‹ gesagt, um mich von der richtigen Fährte abzubringen. Sie sind nirgendwo hingeflogen, stimmt’s? Sie sind noch hier.« Gibbs grinste vor Zufriedenheit mit seiner Theorie.
    »Hier? In Torquay, meinst du?«
    »Hier: im Blue Horizon Hotel – dem letzten Ort, an dem ich sie erwarten würde, nachdem sie vor ein paar Stunden mit großem Brimborium aufgebrochen sind.«
    Olivia verdrehte mit gespielter Genervtheit die Augen. Oder vielleicht war sie auch echt. »Sie sind nicht hier, und das ist nicht das Blue Horizon Hotel«, sagte sie. »Es ist das Blue Horizon.«
    Wollte sie ihn verarschen? »Das habe ich doch gerade gesagt.«
    »Nein, du hast gesagt, es ist das Blue Horizon Hotel.«
    »Es nennt sich Blue Horizon und es ist ein Hotel«, sagte Gibbs ungeduldig. »Das macht es zum Blue Horizon Hotel.«
    »Nein, tut es nicht.« Olivia musterte ihn, als käme er von einem anderen Planeten. »Blue Horizon ist der Name eines erstklassigen Hauses, was es auch ist. Wenn man Blue Horizon Hotel sagt, mutiert es zu einer billigen Frühstückspension an der Küste.«
    »Aha. Vermutlich bin ich zu billig, um den Unterschied zu erkennen.«
    »Nein, ich habe nicht gemeint … Gott, bin ich blöd! Jetzt habe ich dich gekränkt und du wirst wieder dichtmachen, wo ich dich doch gerade dazu gebracht hatte, etwas aufzutauen.«
    »Ich werde ins Bett gehen müssen«, sagte Gibbs. »Ich kann dir nicht länger zuhören. Du bist wie die Sonntagsbeilage einer Zeitung – voll von allem möglichen Scheiß.«
    Olivia riss die Augen auf. Sie starrte ihn schweigend an.
    Verdammt. Ein echt stilvoller Ausklang des Abends.
    »Hör zu, ich habe nicht gemeint …«
    »Schon gut. Das habe ich vermutlich verdient«, bemerkte Olivia kurz angebunden. »Typisch – der Mann, der nicht spricht, schafft es, eine einzige Bemerkung fallen zu lassen, und zwar etwas Schreckliches über mich, das ich jetzt mindestens ein Jahr mit mir herumtragen muss, wobei ich mich so richtig beschissen fühlen werde.«
    »Ich habe es nicht böse gemeint«, sagte Gibbs. »Es war nur eine Beobachtung.«
    »Du willst wissen, wo Simon und Charlie sind? Fein. Ich kann dir etwas Besseres bieten als es dir zu sagen – ich kann dir ein Bild ihrer Villa zeigen.« Olivia zog ihr Handy aus der Handtasche und fing an, auf Tasten zu drücken. Erwartete sie jetzt von Gibbs, dass er sagte: »Nein, vergiss es, es spielt keine Rolle«? Wenn ja, musste er sie enttäuschen. Warum sollte er es auf einmal nicht mehr wissen wollen, nur weil sie aufgebracht und wütend auf ihn war?
    Nach kurzem Tastendrücken hielt Olivia ihm ihr Handy vors Gesicht. »Da. Los Delfines – die Flitterwochen-Villa.«
    Gibbs schaute auf das kleine Foto eines langen, zweistöckigen Gebäudes, das für die Unterbringung von bis zu zwanzig Personen erbaut zu sein schien. Die meisten Fenster mit Balkon. Gartenanlagen mit Bar und Grillbereich und ein Pool, der groß genug für einen olympischen Wettbewerb zu sein schien, alles unter gleißendem Sonnenlicht.
    »Spanien?«, riet Gibbs.
    »Puerto Banus. Bei Marbella.«
    »All das nur für die beiden? Nicht schlecht.«
    »Eine Versicherung gegen Unglücklichsein«, sagte Olivia. Sie hörte sich immer noch verärgert an. »Im Wert von fünfzehn Riesen. An einem solchen Ort könnte niemand unglücklich sein, oder?«
    »Warum sollten sie unglücklich sein? Sie sind in den Flitterwochen.«
    Gibbs dachte erst, sie würde nicht antworten. Dann sagte sie: »Seit Jahren ist Charlies motivierender Kummer, dass sie Simon nicht hat, in jedem nur erdenklichen Sinn. Jetzt sind sie verheiratet, und sie hat ihn. Manchmal hört man auf, etwas zu wollen, wenn man
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