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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)
Autoren: Peter Tremayne
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allerdings auch Klöster und Kapellen aus dem herkömmlichen Stein. Hier in Midhe, dem mittleren der fünf Königreiche, war eine Kirche aus Kalkstein, ehern wie eine Festung, etwas höchst Ungewöhnliches. So aber bot sich ihr St. Benignus dar, ein trutziger Bau von etwa zwanzig Fuß Breite und achtzig Fuß Länge. Das Dach ging nach oben spitz zu, und die Pfosten der Haupttür – der einzigen Tür, soweit sie sehen konnte – waren nach innen geneigt, so dass sich auch der Eingang nach oben verjüngte.
    Eiben und Eschen umstanden die Kirche. Eine solche Anpflanzung bezeichnete man oft als
fidnemed
oder heiligen Hain; sie ergab die natürliche Abgrenzung der Freistatt, den
nemed
oder
termonn
.
    Langsam, aber zielbewußt, ritt sie näher heran, doch noch ehe sie das Sanktuarium erreichte, wurde von innen die Tür aufgerissen, und eine schmächtige Person in schlecht sitzendem Mönchsgewand trat heraus.
    »Halt, Fremder!« herrschte sie eine barsche Stimme an. »Du näherst dich einem Schutzort, und solltest du dem Flüchtling, der hier Zuflucht gesucht hat, etwas anhaben wollen, ist dir der Zutritt verwehrt.«
    Insgeheim war Fidelma über die unfreundliche Begrüßung erfreut, zeigte sie doch, dass der fromme Bruder sich an die Gesetzesvorschrift hielt, jeden, der sich der Kirche näherte, über die Freistätte zu informieren. Sie brachte ihr Pferd zum Stehen, saß aber nicht ab und betrachtete den Mann etwas genauer.
    Er wirkte verhältnismäßig jung, hatte blonde Haare und blassblaue Augen. Trotz seines schmächtigen Körperbaus war er eine angenehme Erscheinung. Langsam kam er ihr an das Tor des
fidnemed
entgegen.
    »Was führt dich her, Tochter?«, fragte er in einem etwas zugänglicheren Ton.
    Fidelma war amüsiert und unterdrückte ein Lächeln. Tochter! Der junge Mönch war kaum älter als sie. Doch der Neue Glaube brachte eine Reihe neuer Wendungen und andere Wortdeutungen mit sich. Priester des Neuen Glaubens hießen jetzt
athair
oder Vater, so, wie es in Rom üblich war. Manche bevorzugten sogar den Begriff
rúinid
, was soviel wie Vertrauter oder Ratgeber bedeutete.
    »Bist du Bruder Mongan?«, fragte sie.
    Der junge Mann krauste die Stirn.
    »Das hier ist meine Kapelle«, betonte er.
    »Ich heiße Fidelma. Ich bin …«, sie zögerte etwas, »ich bin eine Rechtsanwältin von der Hohen Schule des Brehon Morann, sie liegt nicht weit von hier.«
    »Ich habe von ihr gehört«, erwiderte er düster. »Was führt dich her?«
    »Ich dachte, das ist klar.« Fidelma verfiel automatisch in einen strengen Ton. »Man hat mich hergeschickt, um festzustellen, ob die Zuflucht, die du dem Flüchtling in deiner Kapelle gewährst, im Einklang mit dem Gesetz steht.«
    »Gäbe es irgendwelche Zweifel, hätte ich die Entscheidung nicht getroffen«, erwiderte er in nicht weniger scharfem Tonfall.
    »Die Gesetzgebung sieht vor, dass ein solcher Fall überprüft wird«, gab Fidelma zurück und war bemüht, sachlich zu bleiben. Sie wollte Bruder Mongan nicht unnötig verärgern und mußte ihre Ungeduld zügeln.
    »Ich kann nur bestätigen, dass alles rechtens ist«, gab der Mönch zur Antwort.
    »Das freut mich zu hören.« Sie schwang sich vom Pferd und stand ihm jetzt gegenüber. »Trotzdem müssen wir noch ein paar Formalitäten durchgehen.«
    Einen glücklichen Eindruck machte Bruder Mongan ob dieser Feststellung nicht.
    »Formalitäten?«
    »Ja, natürlich«, erwiderte sie, band ihr Ross an ein Gebüsch und schaute sich um. Unter den Bäumen nahe der Kapelle grasten zwei andere Pferde. »Eins von denen gehört wohl dem Flüchtling?«
    Bruder Mongan folgte ihrem Blick und nickte. »Was meinst du mit Formalitäten?«, drängte er.
    »Dem Gewähren einer Freistatt liegen feste Regeln zugrunde. Hat der Schutzsuchende, als er zu dir kam, zureichende Auskunft über seine Person gegeben?«
    »Er sagte, er wäre Ulam Fionn aus dem Gebiet der Uí Echach Cobo, und weiterhin, dass er um Schutz ersuche, weil man ihn verfolge und ihm Unheil drohe.«
    »Unheil in welcher Form?«
    »Er erklärte, man wolle ihm ans Leben. Man würde ihn fälschlicherweise des Mordes beschuldigen. Er gab zu, dass er den Tod einer Person verursacht hätte, aber es sei aus Notwehr geschehen. Man hätte ihn angegriffen, und er hätte sich verteidigen müssen. Die, die hinter ihm her wären, seien keinem Argument zugänglich und wollten mit ihm abrechnen.«
    Nachdenklich ruhte Fidelmas Blick auf Bruder Mongan. Seine Variante der Geschichte klang anders als die
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