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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)
Autoren: Peter Tremayne
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Bruder Mongan als einen gebildeten Schriftkundigen gepriesen. Als ich ihn wegen seiner gründlichen Kenntnis der Gesetze lobte und meinte, bestimmt habe er auch den
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gelesen, wehrte er ab, das Werk kenne er nicht, er sei beileibe kein Gelehrter. Ich zitierte aus dem ersten Brief des Paulus an die Korinther – nämlich die Stelle ›Wisset ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?‹ Dieses Wort aus der Heiligen Schrift wird oft angeführt, um die Gewährung der Freistatt zu begründen, denn im Tempel Gottes darf keine Gewalttat geschehen. Ich hatte den Vers auf Latein zitiert und außerdem behauptet, die Stelle stehe im Brief an die Hebräer. Bruder Mongan gratulierte mir zu meiner tiefgründigen Kenntnis der Schrift.«
    »Ah ja, als Gelehrter und Kopist der Paulusbriefe hätte er den Vers kennen müssen.«
    »Genau so ist es.«
    »Dann bist du zu Abt Sionna zurückgeritten?«
    »Und er hat den zugehörigen Richter der Abtei und ein halb Dutzend kräftiger Mönche losgeschickt. Sie sind in die Kapelle eingedrungen, haben sich Ulam Fionn und seinen Kumpanen gegriffen und im Gewölbe unten den wahren Bruder Mongan gefunden, der dort gefesselt lag.«
    »Und der vermeintliche Bruder Mongan entpuppte sich als …«
    »Ulam Fionns Vetter Ulpach«, schloss sie seinen Satz nicht ohne Genugtuung.
    »Eine betrübliche Geschichte. Hätten Ulam Fionn und Ulpach ernsthaft um Asyl nachgesucht, es wäre ihnen höchstwahrscheinlich gewährt worden, und sie hätten sich in Sicherheit wiegen können.«
    »Ihr Verderb war, dass sie niemandem glaubten, einzig und allein sich selbst. Lügner und Diebe, die sie sind, trauten sie keinem anderen. Sie haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, Bruder Mongan der Form halber zu bitten, ihnen Asyl zu gewähren.«
    »Ich nehme an, Bruder Mongan hat Ulpach das Nötigste der Freistattregelungen erklärt.«
    »Ulpach hat ihn gezwungen, ihm die wichtigsten Regelungen zum Schutzrecht zu erläutern. Doch mir wurde bald klar, dass der Mann, der sich als Bruder Mongan ausgab, wesentliche Dinge nicht kannte, die er hätte wissen müssen. Nämlich, dass demjenigen, der einen Menschen getötet hat, Schutz in der Freistatt nur für eine begrenzte Zeit gewährt wird. Auch überraschte ihn, dass es der Billigung des Abts bedarf, wenn einer seiner Geistlichen jemandem Asyl gewährt hat. Das alles zusammengenommen bestätigte mir, dass ich Ulpach vor mir hatte.«
    Brehon Morann dachte eine Weile nach. »So, wie die Dinge liegen, wird Faichen Glas zurück nach Norden ziehen und Ulam Fionn nebst seinem Vetter ins Land der Uí Echach Cobo schaffen.«
    Fidelma zog ein Gesicht. »Ehe man die Schuldigen Faichen Glas übergibt, sollte man sich noch darum kümmern, dass der Überfall auf Bruder Mongan und seine Freiheitsberaubung nicht ungesühnt bleiben. Bestimmt sieht auch der Neue Glauben entsprechende Maßregeln vor.«
    Nachsichtig schmunzelnd schaute Brehon Morann seine junge Studentin an. »Du bist wirklich begabt, Fidelma. Du hast das Zeug, eine prächtige Anwältin zu werden. Nur solltest du weniger von Mutmaßungen ausgehen. Denk darüber nach. Du hättest die Gegebenheiten leicht falsch einschätzen können.«
    Sie zuckte die Achseln. »Wie sich gezeigt hat, bin ich mit meinen Mutmaßungen nicht schlecht gefahren. Ich habe meiner Fähigkeit vertraut, richtige Schlüsse zu ziehen. Habe ich vor Zeiten nicht jemanden sagen hören: ›Wer sich selbst vertraut, hat nicht auf Sand gebaut. Mit Zaudern und Zagen kann man nichts wagen‹?«
    Der Oberrichter erinnerte sich. Oft genug hatte er seinen Studenten diesen Spruch gepredigt. Versonnen lächelte er. »Ein Sprichwort gibt das andere, Fidelma. Hier ist meins: ›Des Tages Ende, sei’s gut oder schlecht, gibt dem Propheten recht.‹«

Übertritt Gott seine Gebote?
     
    Freundlich lächelnd betrachtete Brehon Morann die junge Frau vor ihm. Sie standen in seinen Privaträumen in der berühmten weltlichen Rechtsschule von Tara, die er als Rektor und in seiner Eigenschaft als
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leitete.
    »Binnen kurzem wirst du dich der Prüfung einer angehenden
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stellen, Fidelma, mit der dir der zweithöchste Rang zuerkannt wird, den eine Hohe Schule überhaupt verleihen kann«, begann der Professor. »In allen fünf Königreichen von Éireann wirst du fortan als Anwältin wirken dürfen. Wie ich höre, hast du dich entschieden, uns nach bestandenem Examen zu verlassen und auf ein weiteres Studium zu verzichten, strebst
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