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Das fliegende Klassenzimmer.

Das fliegende Klassenzimmer.

Titel: Das fliegende Klassenzimmer.
Autoren: Erich Kästner
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ausgemacht.
    Martin, der sehr wenig Geld besaß, weil seine Eltern arm waren und er eine halbe Freistelle bekam, hatte ein Bild für den Nichtraucher gemalt. Es hieß »Der Einsiedler«, und man sah einen Mann darauf, der zwischen bunten Blumen in einem Schrebergarten saß. Am Zaun standen drei winkende Knaben, die er freundlich und doch traurig anschaute. Auf seinen Schultern und Händen hockten kleine, zutrauliche Kohlmeisen und Rotkehlchen; und schillernde Schmetterlinge tanzten über seinem Kopf einen Reigen.
    Es war ein sehr schönes Bild. Martin hatte mindestens vier Stunden dafür gebraucht.
    Mit diesen Dingen sollte Johnny den Nichtraucher am Heiligen Abend überraschen. Sie wussten, dass er mutterseelenallein sein würde. Und das tat ihnen Leid.
    Abends zog er immer seinen besten Anzug an und ging in die Stadt hinunter. 

    Wenn er mit dem Gießen fertig war, legte er sich ins grüne Gras und las 

    Er hatte ihnen erzählt, er gebe Klavierunterricht. Das glaubten sie aber nicht, obwohl sie nicht widersprachen. Rudi Kreuzkamm, der ja extern war und viel in der Stadt herumkam, hatte behauptet, der Nichtraucher spiele abends, bis in die Nacht hinein, in der Vorstadtkneipe »Zum letzten Knochen« Klavier, und er kriege eine Mark fünfzig Pfennig dafür und ein warmes Abendbrot. Erwiesen war es zwar nicht, doch möglich war’s schon. Es war ihnen auch gleichgültig. Fest stand nur, dass er ein feiner, kluger Kerl war und wahrscheinlich viel Unglück im Leben gehabt hatte. Er sah nicht aus, als ob es von Anfang an sein Ziel gewesen sei, in verrauchten Kneipen Schlager herunterzudreschen.
    Schon oft hatten sie sich heimlich bei ihm Rat geholt. Vor allem dann, wenn sie ihren Hauslehrer nicht fragen wollten. Doktor Bökh hieß mit seinem Spitznamen Justus. Das heißt auf Deutsch: der Gerechte! Denn Doktor Bökh war gerecht.
    Gerade deswegen verehrten sie ihn so.
    Manchmal brauchten sie aber eben Ratschläge in solchen Fällen, wo Recht und Unrecht schwer voneinander zu trennen waren. Dann trauten sie sich nicht zum Justus, sondern kletterten hastig über den Zaun, um den Nichtraucher zu fragen.
    Martin, Johnny, Sebastian und Fridolin, der verwundete Externe, traten durch das Tor des kahlen, verschneiten Gartens. Martin klopfte. Und dann verschwanden sie in dem Eisenbahnwaggon. Matthias und Uli blieben vor dem Tor stehen. »Da ist, scheint’s, wieder mal eine feierliche Keilerei fällig«, bemerkte Matthias voller Genugtuung.
    Und Uli sagte: »Vor allem müssen wir schauen, dass wir die Diktathefte wiederkriegen.«
    »Bloß nicht!«, entgegnete Matthias. »Ich hab das dunkle Gefühl, als hätte ich furchtbaren Stuss zusammengeschmiert.
    Hör mal, Kleiner, schreibt man Provintz mit tz?«
    »Nein«, antwortete Uli. »Nur mit z.«
    »Aha«, sagte Matthias. »Das hab ich also schon falsch gemacht. Und Profiand?Mit f?«
    »Nein, mit v.«
    »Und hinten?«
    »Mit t.«
    »Teufel, Teufel!«, meinte Matthias. »In zwei Wörtern drei Fehler. Die reinste Rekordhascherei! Ich bin dafür, die Realschüler sollen uns den Kreuzkamm herausgeben und die Diktathefte behalten.«
    Sie schwiegen eine Weile. Uli trat, weil er fror, von einem Fuß auf den andern. Schließlich sagte er: »Trotzdem würde ich sofort mit dir tauschen, Matz. Ich mache zwar nicht so viele Fehler im Diktat. Und im Rechnen auch nicht. Aber ich hätte furchtbar gern deine schlechten Zensuren, wenn ich außerdem deine Courage hätte.«
    »Das ist ja nun kompletter Quatsch«, erklärte Matthias. »An meiner Dummheit ist nicht zu rütteln. Da kann mir mein Alter Nachhilfestunden geben lassen, so viel er will. Ich kapiere den Kram ja doch nicht! Es ist mir, offen gestanden, auch ganz egal, wie man Provintz und Profiand und Karrusel schreiben muss. Ich werde später mal Boxweltmeister, und da brauche ich keine Orthographie. Aber dass du ein Angsthase bist, das kannst du doch, wenn du willst, ändern!«
    »Hast du ‘ne Ahnung«, meinte Uli niedergeschlagen, und er rieb sich die klammen Finger. »Was ich schon alles angestellt habe, um mir die Feigheit abzugewöhnen - das geht auf keine Kuhhaut. Jedes Mal nehm ich mir vor, nicht davonzulaufen und mir nichts bieten zu lassen. Felsenfest nehm ich mir’s vor! Aber kaum ist es so weit, dann reiß ich auch schon aus. Ach, ist das ekelhaft, wenn man spürt, dass einem die andern absolut nichts zutrauen!«
    »Na, du müsstest eben einmal irgendwas tun, was ihnen Respekt einjagt«, sagte Matthias. »Etwas ganz Tolles. Dass
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