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Das fliegende Klassenzimmer.

Das fliegende Klassenzimmer.

Titel: Das fliegende Klassenzimmer.
Autoren: Erich Kästner
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bitte, auf!«, sagte er laut. »Doktor Bökh hat uns erlaubt, täglich von zwei bis drei Uhr mittags in der Turnhalle zu probieren. Das wissen Sie ganz genau.«
    Der schöne Theodor drehte sich auf dem Klavierstuhl herum.
    »Wie sprichst du eigentlich mit deinem Stubenältesten? He?«
    Uli wollte auskneifen. Er hatte keinen Sinn für brenzlige Situationen. Aber Matthias hielt ihn an dem Rockärmel fest, starrte wütend zu den Primanern hinüber und murmelte:
    »Teufel, Teufel! Soll ich dem langen Laban eins vor den Latz knallen?«
    »Ruhe!«, sagte Johnny. »Martin bringt das schon in Ordnung.«
    Die Primaner standen im Kreis um den kleinen Thaler herum, als wollten sie ihn fressen. Und der schöne Theodor begann wieder seinen Tango zu spielen. Da stieß Martin die Umstehenden beiseite, trat dicht ans Klavier und schlug den Deckel zu! Den Primanern blieb vor Staunen die Spucke weg.
    Matthias und Johnny eilten zu Hufe. Doch Martin wurde ohne sie fertig. »Sie haben sich genau wie wir an die bestehenden Bestimmungen zu halten!«, rief er empört. »Bilden Sie sich nur nichts drauf ein, dass Sie zufällig ein paar Jahre älter sind als wir! Beschweren Sie sich über mich bei Doktor Bökh! Aber ich bestehe darauf, dass Sie die Turnhalle augenblicklich verlassen!«
    Dem schönen Theodor war der Klavierdeckel auf die Finger gefallen. Sein hübsches Fotografiergesicht verzerrte sich vor Wut. »Na warte, mein Jungchen«, sagte er drohend. Dann räumte er das Feld.
    Sebastian öffnete die Tür und verbeugte sich, ausgesucht höflich, vor den abziehenden Primanern. »Diese Herren Eintänzer«, meinte er abfällig, als sie draußen waren. »Drehen sich in ihrer Tanzstunde mit angemalten Fräuleins im Kreise und halten sich für die Erdachse. Sie sollten lieber einmal lesen, was Arthur Schopenhauer über die Weiber schreibt.«
    »Ich finde die Mädchen sehr nett«, sagte Johnny Trotz.
    »Und ich hab eine Tante, die kann boxen«, bemerkte Matthias stolz.
    »Los, los!«, rief Martin. »Jonathan! Die Probe kann anfangen.«
    »Jawohl«, sagte Johnny. »Also heute kommt das letzte Bild noch einmal dran. Das sitzt noch gar nicht. Matz, du kannst deine Rolle schweinemäßig.«
    »Wenn mein alter Herr wüsste, dass ich hier Theater spiele, nähme er mich sofort von der Penne«, meinte Matthias. »Ich tu’s ja auch bloß euch zuliebe. Wer außer mir könnte denn sonst den Petrus spielen, wie?«
    Dann holte er einen großen weißen Bart aus der Hosentasche und hängte sich ihn vors Gesicht.
    Das Stück, das Johnny geschrieben hatte und das man zur Weihnachtsfeier in der Turnhalle aufführen wollte, hieß, wie gesagt, »Das fliegende Klassenzimmer«. Es bestand aus fünf Akten und war gewissermaßen eine fast prophetische Leistung. Es beschrieb nämlich den Schulbetrieb, wie er in Zukunft vielleicht wirklich stattfinden wird.
    Im ersten Akt fuhr ein Studienrat, den Sebastian Frank mit Hufe eines angeklebten Schnurrbarts naturgetreu darzustellen hatte, samt seiner Klasse im Flugzeug los, um den Geographieunterricht jeweils an Ort und Stelle abzuhalten.
    »Der Unterricht wird zum Lokaltermin«, hieß eine Verszeile im ersten Akt. Die war aber nicht von Johnny, sondern von dem schrecklich gescheiten Sebastian, der damit, wenn er sie deklamierte, die Lehrer zum Lachen bringen wollte. Martin, der Klassenerste, hatte, weil er sehr gut zeichnete, die Bühnenbilder ausgeführt. An einem Barren wurde ein auf weiße Pappe gemaltes Flugzeug angezweckt. Es hatte drei Propeller und drei Motoren und eine aufklappbare Tür, durch die man in das Flugzeug (also eigentlich in den Barren) steigen konnte.
    Uli Simmern spielte die Schwester eines der »fahrenden Schüler«. Er hatte sich von seiner Base Ursel ein Dirndlkleid schicken lassen. Und beim Friseur Krüger wollten sie eine blonde Gretchenperücke leihen. Eine Perücke mit langen geflochtenen Zöpfen. Sie waren am vergangenen Sonnabend, als sie Ausgang gehabt hatten, dort gewesen und hatten Uli die Perücke aufgesetzt, Er war nicht wieder zu erkennen gewesen. Er hatte zum Verwechseln einem Mädchen geglichen! Fünf Mark betrug die Leihgebühr. Aber Friseur Krüger hatte gesagt, falls sie später, wenn es soweit wäre, sich alle bei ihm rasieren lassen würden, leihe er ihnen die Perücke zum halben Preis. Das hatten sie ihm denn auch fest versprochen.
    Na ja. Im ersten Akt fuhr die Klasse los. Im zweiten Akt landete das Flugzeug am Kraterrand des Vesuvs. Martin hatte den Feuer speienden Berg
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